Das EROI-Problem und die Wertigkeit der Energie 

  



Ergänzungen
Ende 2014:

Rechnung

Hinter der Abkürzung EROI verbirgt sich das Verhältnis "energy recovered over invested (energy)", also ein Parameter, der angibt, wie viel Energie benötigt wird, um eine gegebene Energiemenge zu wandeln bzw. zu Verfügung zu stellen. In deutscher Sprache ist dies - einfach ausgedrückt - das Verhältnis von Nutzenergie zu Energieaufwand. Insofern ist dieser Parameter eng verwandt zu dem physikalischen Begriff des Wirkungsgrads , siehe energie2. Dieser Begriff ist allerdings eindeutig definiert und hat, gemäß des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiezunahme) immer einen Wert < 1.

Dagegen erwartet man für das EROI Verhältnis einen Wert EROI > 1 und das steht zunächst im Widerspruch zum 1. Hauptsatz der Thermodynamik (Energieerhaltung). Und entsprechend ist seine Definition auch keineswegs so eindeutig, denn was bedeuten "recovered" und "invested"? Erst der in der amerikanischen Literatur angegebene Wertebereich 1 < EROI < lässt eine eindeutige Definition zu: Wenn für die Energie W = W0 + W1 gilt, dann muss
EROI = W/W1
sein und
W = "energy recovered",
W1 = "energy invested",
W0 = "net energy" (= Energiegewinn).
Eigentlich sollte das EROI-Verhältnis bei der Behandlung von zukünftigen Energieproblemen nicht diese Bedeutung besitzen, welche ihm in der amerikanischen Literatur zugeschrieben wird, siehe z.B. den Beitrag von Tom Murphy. Dies gilt dann, wenn bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs die Energie W verwendet wird, wie das in meinen Prognosen geschieht. Auf der anderen Seite wird aber offensichtlich statt dessen die Beziehung1)
PEB = W0(i)
verwendet, wobei mit W0(i) die verschiedenen Formen i der uns zur Verfügung stehenden "net energy" bezeichnet werden. Falls diese Formen in 2 Klassen, fossile und erneuerbare Energien, eingeteilt werden, gilt also
PEB = W0(foss) + W0(ernb).
(1)

Die Eigenschaften der EROI-Verhältnisse in diesen beiden Klassen sind recht verschieden. Der Grund liegt im Wesentlichen an der Energie W1, die investiert werden muss, um eine Energiequelle zu nutzen. Bei festem W0 ist  W1 heute noch für erneuerbare Energien wesentlich größer als für fossile Energie, besonders dann, wenn im 1. Fall auch die Notwendigkeit der Energiespeicherung in die Rechnung einbezogen wird.
  • Fossile Energie: Das EROI(foss) Verhältnis hat i.A. einen Wert EROI(foss)  > 10 und W1(foss) muss mit einem gewissen Anteil während der gesamten Betriebsdauer einer Anlage zur Verfügung stehen.
  • Erneuerbare Energien: Das EROI(ernb) Verhältnis hat i.A. einen Wert EROI(ernb) < 10 (mit Ausnahme der Wasserkraft) und W1(ernb) muss im Wesentlichen nur bei der Installation einer Anlage zur Verfügung stehen.
Falls in der Gleichung (1) die Energie W0 durch die tatsächlich in der Natur vorhandene Energie W ersetzt werden soll, so findet man
W0 = W - W1 = W (EROI-1)/EROI = W .
(2)
Den Parameter bezeichne ich als Wertigkeit der Energie, sie ist in diesem einfachen Fall allein abhängig von dem EROI-Verhältnis. Die Abhängigkeit ist in der rechten Abbildung dargestellt, allgemein gilt im Wertebereich des EROI-Verhältnisses
0 < < 1.
(3)
Die Werte von nahe 0 ergeben sich aber nur für kleine Werte von EROI, schon ab EROI >10 gilt > 0.9 und das ist ungefähr auch die untere Grenze, welche die Wirtschaftlichkeit einer Energiequelle kennzeichnet.


Die Abhängigkeit der Energiewertigkeit von dem Parameter EROI.
Die Wertigkeit ist ein entscheidender Parameter, um die Nutzbarkeit einer Energieform zu quantifizieren. Sie ist nicht nur eine Funktion von EROI, sondern abhängig auch von weiteren Eigenschaften einer Energieform W(i), welche die in Gleichung (3) angegebene obere Grenze durchaus verändern werden. Einflüsse werden entstehen durch die Abhängigkeit:
  1. Von der Stellung von W(i) in der Versorgungskette. Erneuerbare Energien repräsentieren oft eine Form von Endenergie EEB, ausgedrückt durch den Nutzungsgrad der Wandlung PEB -> EEB.
  2. Von der Energiedichte von W(i). Erneuerbare Energien haben oft eine extrem geringe Energiedichte.
  3. Von der Speicherfähigkeit von W(i). Erneuerbare Energien lassen sich oft nur schwer speichern.
Während Punkt 1 den Wert von (ernb) vergrößert, wird er durch die Punkte 2 und 3 stark verkleinert. Wie alle diese Abhängigkeiten mathematisch in die -Funktion eingeführt werden müssen, ist bisher nicht untersucht, so weit ich die entsprechende Literatur überblicke. Aber man geht i.A. davon aus, das  (foss) in Zukunft abnehmen wird, weil die Extraktion der verbliebenen fossilen Energieträger immer aufwändiger wird. Auf der anderen Seite wird (ernb) aufgrund technischer Innovationen zukünftig ansteigen.

Interessant werden diese Überlegungen natürlich im Zusammenhang mit der Frage:

Wie groß muss der Beitrag erneuerbarer Energien werden, um unseren Primärenergiebedarf auch dann zu decken, wenn zukünftig der Beitrag der fossilen Energien immer geringer wird?

Der Beitrag lässt sich mithilfe der Gleichung (1) berechnen zu
W(ernb) = (PEB - W(foss) (foss))/(ernb),
(4)
wenn die zeitliche Abhängigkeit t der Wertigkeiten bekannt ist. Die Gleichung (3) setzt aber dem funktionalen Zusammenhang sehr enge Grenzen, die einfachsten Annahmen lauten
(foss) = exp(-at) mit a > 0,
(ernb) = 1 - b exp(-at) mit 0 < b < 1.

Von PEB wissen wir aus den Daten, dass sich dieser Bedarf in den nächsten 50 a etwa verdoppeln wird. Dagegen wird W(foss) abnehmen und diese Abnahme, nach Erreichen des Maximums, ist exponentiell, wenn die Gültigkeit eines epidemischen Wachstums angenommen wird. In der rechten Abbildung sind diese Zusammenhänge grafisch dargestellt.

Die zeitlichen Abhängigkeiten des Primärenergiebedarfs PEB und von W0(foss), normiert auf 100 für t = 0 (linke Skala). Die  zeitlichen Abhängigkeiten der Wertigkeiten
(foss) und (ernb) (rechte Skala).
Unter diesen Voraussetzungen müsste der Beitrag erneuerbarer Energien nach 50 a größer sein als der Primärenergiebedarf selbst zu diesem Zeitpunkt. Und das, obwohl sich unsere Verfügbarkeit über fossile Energien W(foss) während dieses Zeitraums nur um 46% verringert hat, wie sich ausmeinen Prognosen ergibt. Grund ist offensichtlich der Einfluss der Wertigkeiten (foss) und (ernb), der in meinen Prognosen zwar nicht direkt berücksichtigt wurde, aber indirekt in die Berechnung des möglichen W(ernb) mit einging. Wer daher daran zweifelt, dass die zukünftige Energieversorgung uns mit einem essentiellen Problem konfrontiert, hat jetzt eine definierte Aufgabe vor sich: Er muss zeigen und begründen, welche zeitlichen Abhängigkeiten die Funktionen PEB, W(foss) und (foss) bzw. (ernb) in Zukunft haben werden, und wie die Leistungen, finanziell und materiell, erbracht werden können, um die notwendigen Anlagen zur Wandlung von W(ernb) zu errichten.

Durch die Analyse der Energiewertigkeiten (foss) und  (ernb) wird also erkennbar, welche Schwierigkeiten zu überwinden sind, um eine zukünftige Energieversorgung allein auf der Basis erneuerbarer Energien aufzubauen, falls dies überhaupt möglich ist. Dieses Ergebnis ergibt aber nicht nur diese Analyse, sondern es folgt schon aus der Berechnung der EROI-Verhältnisse, wenn diese vollständig und korrekt vorgenommen wird2).

Die einfache Annahme, dass ein Verhältnis EROI > 1 allein schon ausreiche, um eine Versorgungstechnik praktikabel zu machen, ist in einer neueren Veröffentlichung hinterfragt worden. Diese untere Grenze ist vielleicht physikalisch begründbar, um wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen, muss die untere Grenze aber bei EROI > 7 liegen. Untersucht man darauf hin die verschiedenen Versorgungstechniken auf der Basis erneuerbarer Energien, kommen die Autoren zu folgenden Ergebnissen für den Standort Deutschland:


Foto- voltaik
Biomasse
Wind
konz. Solar
Wasser
EROI ungesp.
3.9
3.5
16
19
49
EROI gespeich.
1.6
3.5
3.9
9
35
Die EROI-Verhältnisse von erneuerbaren Energien für Deutschland und für die 2 Fälle, dass die gewandelte elektrische Energie nicht gespeichert (obere Zeile) oder zwischengespeichert (untere Zeile) wird.3)
Die Segmente "konzentrierte Solarenergie" und "Wasserenergie" stellen für Deutschland keine wirkliche Option dar, weil einerseits der Anteil der direkten Sonnenstrahlung, andererseits die Menge der Fließwässer aus größeren Höhen zu gering ist. Eigentlich verfügt Deutschland nur über die Option "Windenergie", wenn die daraus gewandelte elektrische Energie nicht zwischengespeichert werden muss.
Das muss aber geschehen wegen der natürlichen Energiefluktuationen, wenn man auf den Einsatz fossiler Energien, insbesondere der Kernenergie, dauerhaft verzichten will.


1) Die Beziehung PEB = W bzw. PEB = W0 geht von der Voraussetzung aus, dass (nach ökonomischem Sprachgebrauch) die Nachfrage PEB im Gleichgewicht ist zum Angebot W bzw. W0. Dies wird in diesem Kapitel vorausgesetzt, obwohl meine Prognosen in energie2 zeigen, dass in Zukunft PEB > W bzw. PEB > W0 gelten wird, wenn die wirtschaftliche Entwicklung sich so fortsetzt, wie wir es erwarten und fordern.
2) Dies scheint in der Tat ein Problem zu sein!
3) Es erscheint mir verwunderlich, dass EROI für ungespeicherte Energie höhere Werte hat als für gespeicherte Energie. Formal ergibt sich dies dadurch, dass ein Teil der von einer Anlage gewandelten Energie nicht zum Nutzer, sondern zum Speichermedium  fließt. Dass aber dem Nutzer letztendlich auch die gespeicherte Energie zugute kommt, wird in der Analyse offenbar nicht berücksichtigt.