Das neue Detektorkonzept
Eigenschaften fester Neutronenkonverter
Problem einer ausreichenden Nachweiseffizienz
Ladungstransparente feste Konverterschichten, GEM
CASCADE: effizienter, ortsauflösender Neutronendetektor
auf großen Flächen
Eigenschaften fester Neutronenkonverter
Durch den Einsatz eines festen Neutronenkonverters können billige Zählgase im Spülmodus eingesetzt werden. Der Spülmodus verhindert Alterungseffekte im Detektor. Um die Eigenschaft niedriger Gammaempfindlichkeit von Gasdetektoren weiterhin zu erhalten, wird ein fester Konverter aus 6Li oder 10B benutzt, der wegen seiner niedrigen Kernladungszahl kaum Photoelektronen erzeugt. 10B besitzt im Gegensatz zu 6Li den größeren Absorptions-Wirkungsquerschnitt für Neutronen und ist zudem chemisch äußerst stabil.
Die geladenen Konvertierungsprodukte (a-Teilchen und 7Li-Kern) der Neutroneneinfangsreaktion in 10B erzeugen in geeigneten Zählgasen mit hoher Stopping-Power bereits unter Normalbedingungen eine sehr große Ionisationsdichte. Ihr Ladungsschwerpunkt liegt nur 1-3 mm vom Konvertierungsort entfernt, so daß sich eine für viele Anwendungen zunächst ausreichende Ortsauflösung von 2-6 mm ergibt. Da der Detektor bei Normalbedingungen betrieben wird (kein Hoch- oder Niederdruck-Detektor), werden leichte, handliche und vor allem auf große Flächen erweiterbare Detektorgehäuse ohne großen Aufwand an Material und Kosten möglich.
Problem einer ausreichenden Nachweiseffizienz
Nachweiseffizienz einer einzelenen festen Borschicht für thermische Neutronen in Abhängigkeit von der Schichtdicke
Die Probleme liegen hier jedoch in dem Nachweis der
geladenen Konvertierungsprodukte, die zu einem großen Teil schon in dem
festen Konverter selbst stecken bleiben und ihre Energie nur in geringem
Maße an ein umgebendes Detektionsmedium wie z. B. ein Zählgas abgeben
können. Nachgewiesen werden können effektiv nur aus Oberflächenschichten
herrührende Konvertierungsprodukte. Der Vorteil eines dichtgepackten
Neutronenabsorbers in Form eines Festkörpers wird also im allgemeinen wieder
durch die mangelnde Austrittswahrscheinlichkeit der geladenen Fragmente in
das umgebende Detektionsmedium zunichte gemacht.
Bisher war es nicht möglich, mehrere Schichten
hintereinander zur Vervielfachung der Nachweiseffizienz einer einzelnen
Schicht zu verwenden, da das Ionisationssignal (die gebildeten primären
Elektronen) die Schichten nicht durchdringen kann und somit das gesamte
Signal oder zumindest die Information über den Ort der
Neutronenkonvertierung im Detektor verloren gehen. Demzufolge
benötigt man ein Substrat, das neben der Funktion als Träger des festen
Neutronenkonverters auch
die Eigenschaft völliger Ladungstransparenz aufweist.
ladungstransparente feste Konverterschichten, GEM
Besitzt man ladungstransparente Schichten aus einem festen Neutronen-Konvertermaterial, so können diese in einem herkömmlichen Gasdetektor eingesetzt werden. Wegen der Ladungstransparenz jeder einzelnen Konverterschicht können viele solcher Schichten hintereinander kaskadiert werden. Dadurch wird eine hohe Nachweiseffizienz des Gesamtsystems erreicht, die mit derjenigen von 3He-Detektoren vergleichbar ist und je nach Art des Konvertermaterials und der Anzahl der Konverterschichten für thermische Neutronen im Bereich von 20-80% liegen kann. Die im Zählgas entstehenden primären Elektronen können ohne räumliche Verzerrung mit Hilfe elektrischer Felder durch alle ladungstransparenten Konverterschichten hindurch auf eine geeignete, ortsempfindliche Auslesestruktur zum Ladungsnachweis geleitet werden. Die festen Neutronen-Konverterschichten können zum Beispiel aus den Isotopen 6Li, 10B, 155Gd, 157Gd oder 235U bestehen.
Der 1997 von F. Sauli am CERN entwickelte Gas Electron Multiplier (GEM) besitzt die Eigenschaft der Ladungstransparenz bei entsprechender elektrischer Beschaltung.
Die GEM-Folie ist eine beidseitig mit Kupfer beschichtete Polyimidfolie (Kaptonfolie), in die mittels eines photolithographischen Verfahrens eine regelmäßige Lochstruktur geätzt ist, ohne daß die Kupferober- und unterseite elektrisch verbunden sind.
GEM-Aufsicht (links) und GEM-Lochquerschnitt (rechts)
Durch eine entsprechend hohe Potentialdifferenz an den beiden Elektroden der GEM können derart hohe Feldstärken im Lochinnern erzeugt werden, daß die ins Loch hineindriftenden Elektronen Sekundärionisation durchführen und die GEM somit als Gasverstärker wirkt. Die GEM hat inzwischen eine ähnlich große Entwicklung auf dem Gebiet der Gasdetektoren (vor allem in der Hochenergiephysik) entfacht wie seinerzeit die Einführung der MSGC.
skizzierter Verlauf der elektrischen Feldlinien in einer GEM (Bild von Sauli, CERN)
Wird die GEM zwischen Driftelektrode und einer Auslesestruktur eingebaut und werden an den GEM-Kupferflächen geeignete Spannungen angelegt, so ergibt sich der in der Abbildung gezeigte elektrische Feldlinienverlauf. Der Bereich zwischen der GEM und der Driftelektrode bzw. der Auslesestruktur wird Driftraum bzw. Kollektorraum genannt. Die Feldlinien des Driftraums, die der Driftelektrode entspringen, werden im Bereich des GEM-Lochs eingeschnürt. Danach setzen sie ihren Verlauf im Kollektorraum wieder unverzerrt fort. Im Driftraum entstandene Elektronen werden also aufgrund des angelegten elektrischen Feldes ohne Verlust der lateralen Ortsinformation in den Kollektorraum transportiert, d. h. die GEM ist ladungstransparent.
CASCADE: effizienter, ortsauflösender Neutronendetektor auf großen Flächen
Das CASCADE-Konzept stellt eine Kaskade aus mehreren, mit einem festen Neutronenkonverter (wie z. B. Bor) beschichteten GEM-Folien dar mit einer Auslese-Struktur am Kaskadenende zum effizienten Nachweis thermischer Neutronen. Dabei wird die Verstärkungseigenschaft der GEM lediglich zur Kompensation des Ladungsverlustes benutzt, der sich durch die nicht völlige optische Transparenz der GEM ergibt. Es wird eine Nachweiseffizienz für thermische Neutronen (1.8 Angström) von bis zu 50% angestrebt. Die Methode ist nicht auf Bor als Neutronenkonverter oder die MSGC als Gasverstärkungs- und Auslesestruktur festgelegt. Gerade in Kombination mit den allerneuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Mikrostuktur-Gasdetektoren wie Micrgrove, Microdot etc. ergeben sich Perspektiven für äußerst robuste, aber gleichzeitig leichte und einfach zu handhabende Detektorkonstruktionen. Dies wird möglich, da der Detektor mit einem festen Neutronenkonverter unter Normalbedingungen betrieben werden kann.
Schematischer Aufbau einer GEM-Kaskade aus
borbeschichteten GEMs und borbeschichteten Driftelektroden. Entlang der Ionisationsspuren
wird Primärladung erzeugt, die durch
alle GEMs hindurch bis zur Auslesestruktur driftet, um dort nachgewiesen zu werden. Dabei
bleibt die Ortsinformation erhalten.
Die Eigenschaften dieses neuartigen ortsauflösenden Gasdetektors für thermische Neutronen sind:
- Der Betrieb bei Normalbedingungen erlaubt die Erweiterung des Detektors auf große Flächen bei leichtem Gehäuse.
- Die Kaskadierung von borbeschichteten GEM-Folien ermöglicht eine Detektoreffizienz von 40-50% für thermische Neutronen (1.8 Angström).
- Der Einsatz von GEM-Folien erlaubt hohe Zählraten bis 107 n/cm2s [Bre99] .
- Die Ortsauflösung liegt bis jetzt bei 2.5 mm.
- Der Detektor kann mit billigen Zählgasen "gespült" werden, um Alterungseffekte zu vermeiden.
- Aufgrund der niedrigen Kernladungszahl von 10B, der großen Energie der geladenen Konvertierungsprodukte und in seiner Eigenschaft als Gasdetektor ist der Detektor frei von Gamma-Untergrund.
- Das Auslesen der GEM-Folien erlaubt im Fall von Flugzeitmessungen (TOF) eine Zeitauflösung im Sub-msec Bereich.