Geothermie in Deutschland

Die Vorteile und Nachteile der Geothermie wurden in Energie2 diskutiert. In Europa, mit Ausnahme von Island, und insbesondere in Deutschland spielt diese Primärenergiequelle nur eine untergeordnete Rolle. Die Gründe ergeben sich aus der Übersichtskarte auf der rechten Seite: Ausgedehnte Gebiete mit heißen Gesteinsschichten befinden sich eigentlich nur in den Balkanländern und dort sind sie bisher nicht erschlossen worden. Dagegen spielt in außereuropäischen Ländern, wie den USA, Japan und Mexiko, die Geothermie  schon heute eine wichtige Rolle, deren Bedeutung in Zukunft noch weiter wachsen dürfte. In Europa liefern, falls die Angaben korrekt sind, nur in Island die geothermische Kraftwerke zur Zeit schon den größten Teil der elektrischen Energie, in Deutschland betrug der geothermische Anteil an der Primärenergieversorgung im Jahr 2006 nur 0.05%. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um kleine Anlagen, die Privathäuser mit Warmwasser versorgten. Auf diese Anwendungen werden wir am Schluss noch einmal eingehen, zunächst geht es um die Bedeutung von geothermischen Großanlagen für Deutschland.
Gebiete in Europa, wo die geothermischen Bedingungen die Errichtung von Anlagen erlauben.


Dass deren Beitrag in der Energieversorgung so gering ist, liegt natürlich daran, dass die geologischen Gegebenheiten für die Geothermie in Deutschland viel ungünstiger sind als z.B. in den USA, wo sich große Gebiete befinden, unter denen sich in einer Tiefe von 5000 m bereits Gesteinstemperaturen von mehr als 200 oC befinden, die auch relativ leicht erschlossen werden können, weil das Gestein dort eine hohe Porosität aufweist. Die entsprechende geothermische Karte für Deutschland ist auf der rechten Seite gezeigt. Die Gebiete, die sich sich für geothermische Anlagen u.U. eignen, sind in gelber Farbe dargestellt.  Dabei handelt es sich um die norddeutsche Tiefebene, den Rheingraben und das Molassebecken zwischen Donau und den Alpen. Allerdings weisen in den ersten beiden Gebieten die Wässer einen sehr hohen Salzgehalt auf, während im letzteren das Wasser fast Trinkqualität besitzt. Eine ausführliche Beschreibung der geplanten oder bereits vorhandenen Anlagen in diesen Gebieten findet sich auf der homepage des geothermischen Informationssystems. Diese Anlagen haben mit dem Nachteil zu kämpfen, dass die Wassertemperatur in einer Tiefe von 3000 m fast immer kleiner als 100 oC ist. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich nur wenige Anlagen bereits in Betrieb befinden und diese fast ausschließlich zur Bereitstellung von Wärmeenergie für die Häuserheizung. Viel mehr Anlagen sind in Planung oder im Bau.
Gebiete in Deutschland, wo die geothermischen Bedingungen die Errichtung von Anlagen erlauben (gelb). In weiteren Gebieten (blau) bestehen u.U. die Möglichkeiten für derartige  Projekte.

Eine der größten im Betrieb befindlichen Anlagen ist wohl die in Erding, wo eine thermische Leistung von ca. 18 · 106 kWh a-1 direkt in das Fernwärmesystem eingespeist wird und aus dem Rücklauf noch einmal 57 · 106 kWh a-1 mithilfe einer Wärmepumpe bereit gestellt werden. Dazu musste eine Heißwasserbohrung auf 2350 m Tiefe niedergebracht werden, durch die Wasser mit einer Temperatur von 65 oC hochgepumpt wird.

Als einzige bereits im Betrieb befindliche Anlage wird die in Neustadt-Glewe auch zur Wandlung von thermischer in elektrische Energie genutzt. Bei einer Wassertemperatur von 98 oC aus einer Tiefe von 2250 m liefert diese Anlage eine thermische Leistung von 53 · 106 kWh a-1 und eine elektrische Leistung von weniger als 2 · 106 kWh a-1. Der Beitrag zur Versorgung mit elektrischer Energie fällt allerdings bei tiefen Temperaturen im Winter aus, weil zu diesen Zeiten die gesamte thermische Energie benutzt wird, um den Heizungsbedarf der ca. 6000 Einwohner zählenden Gemeinde zu 90% zu decken1).

Die meisten der in der Karte oben gezeigten Standorte liegen über Bodenschichten mit hydrothermalen Reservoiren, d.h. das Heißwasser wird direkt aus dem Reservoir hochgepumpt. Von ihrer Bedeutung viel wichtiger für Deutschland sind aber die wasserarmen Heißgesteine, die sich mit dem HDR-Verfahren erschließen lassen. Solche Anlagen gibt es in Deutschland und seinen Nachbarregionen nur an 4, meist südlichen Standorten, nämlich
  • Groß Schönebeck
  • Soultz-sous-Forets
  • Bad Urach
  • Basel
Von diesen Anlagen sind die ersten beiden Forschungs- und Entwicklungsstationen, die staatlich gefördert werden und bei denen die Kosten daher nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Aufbau der industriell zu nutzenden Anlagen in Bad Urach und Basel wurde dagegen unterbrochen, da die Teifenbohrung auf unerwartete Hindernisse stieß und das finanzielle Risiko einer Weiterführung zu groß wurde. Bemerkenswert ist besonders das Schicksal der HDR-Anlage in Basel, wo die Bohrung im Dezember 2006 kleinere Erdbeben auslöste, die zum Abbruch der Arbeiten führten. Solche seismischen Aktivitäten als Folge von HDR-Bohrungen sind zu erwarten: Heiße Gesteinszonen sind besonders leicht zugänglich in Regionen mit geothermischen Anomalien, wie sie im Rheingraben bestehen. Dort befinden sich ebenfalls Zonen mit starken geologischen Spannungen, welche durch die Bohrungen und das Einpressen von Wasser u.U. freigesetzt werden. Die dabei entstehenden Energien in Form von Erdbeben sind wesentlich höher als die, welche mit dem Vortrieb des HDR-Verfahrens selbst verbunden sind.

Trotz dieser Fehlschläge und des insgesamt sehr geringen Beitrags, den Großanlagen bisher zur Energieversorgung in Deutschland geleistet haben, sieht die Geothermiebranche (siehe z.B. Hochtief AG) mit Optimismus in die Zukunft und hofft, dass ihr Anteil zur Versorgung mit Heizenergie bis 2020 auf 7% steigen wird. Dieser Optimismus gründet sich u.a. auch auf den Einsatz von Erdwärmesonden in Privathaushalten, die bis zu einer Tiefe von ca. 400 m vorgetrieben werden und die, wie in Energie2 beschrieben, den Warmwasserbedarf eines Hauses mithilfe einer Wärmepumpe decken können. Dabei ist zu bedenken, dass z.Z. die Kosten einer derartigen Anlage noch weitaus höher sind als die des konventionellen Verfahrens auf der Basis einer modernen Ölfeuerungsanlage. Nach den Berechnungen der Landesinitiative Zukunftsenergien NRW2) sind die Investitionskosten einer geothermischen Heizungsanlage in einem Niedrigenergiehaus (ca. 20000 €) noch mehr als doppelt so hoch wie die einer konventionellen Heizungsanlage (ca. 8000 €). Und auch der Primärenergiebedarf ist nicht wesentlich geringer, wenn man diesen nach der Substitutionsmethode berechnet. Denn man darf nicht übersehen, dass beim Betrieb einer geothermischen Heizungsanlage ein nicht zu vernachlässigender Bedarf nach elektrischer Energie zum Betrieb der Förderpumpe und der Wärmepumpe entsteht.

Insofern wird sich diese Technik wohl erst dann als wirklich vorteilhaft erweisen, wenn sich der Bedarf nach elektrischer Energie in genügend großem Umfang aus anderen, als den fossilen Quellen decken lässt.


1) Hier wird das Problem einer nur zu Heizungszwecken betriebenen Anlage deutlich, wenn während der warmen Jahreszeiten kein Bedarf nach Heizungsenergie besteht und die thermische Energie allein zur Versorgung mit Warmwasser gefördert werden muss.
2) Nach meinen Berechnungen sind die Angaben in der angegebenen Referenz fehlerhaft und müssen korrigiert werden.