Was ist
Wohlstand? |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
A priori ist der Wohlstand
keine messbare, d.h. physikalische Größe. Zu viele Menschen
haben zu viele Vorstellungen davon, was für sie Wohlstand
bedeutet. Um aber Wohlstand zu verschiedenen Zeiten und an
verschiedenen Orten miteinander vergleichen zu können, muss
Wohlstand messbar werden und das erfordert die Definition
einer Wohlstandseinheit (Wohlstandsskala), welche überall
und zu allen Zeiten gültig ist. Wie die Wohlstandsskala
aussieht, ist abhängig davon, wie Wohlstand selbst definiert
ist. Die hier vorgeschlagene Definition mithilfe der
Entropieproduktion, d.h. mithilfe der Energiewandlung, ist
zwar physikalisch naheliegend, aber unüblich und wird auch
von mir selbst in meinem Buch nicht
verwendet. Üblich und an die ökonomische Sichtweise
angelehnt ist die Definition mithilfe des
Bruttoinlandprodukts (BIP)1), das zu
verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern erwirtschaftet
wird und wurde. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Diese Art der
Wohlstandsdefinition trifft auf den Widerstand von Leuten
(auch Ökonomen), welche den Bezug auf eine rein ökonomische
Größe - den Geldwert - als zu einschränkend empfinden.
Hintergrund ist die Einsicht, dass Wohlstand gemäß seines
Wortsinns etwas über das Wohlbefinden eines Menschen
aussagen soll und Wohlbefinden nicht allein mit geldwertem
Eigentum verknüpft ist. Welche anderen Faktoren eine ebenso
wichtige Rolle spielen, ist umstritten. Weltweit akzeptiert
als Wohlstandsdefinitionen sind aber insbesondere der von
der UNO benutzte
Human Development Index (HDI = menschlicher
Entwicklungsindex) und der Prosperity Index (PI =
Erfolgsindex) des Legatum
Institute in London/UK. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Dieser Index benutzt im Wesentlichen 3 Kriterien:
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Dieser Index benutzt im Wesentlichen 8 Kriterien:
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Von derartigen Indizes
erwartet man natürlich, dass sie einigermaßen objektive
Ergebnisse liefern und nicht nur die Meinung derjenigen
wiedergeben, welche den Index konstruiert haben. Beurteilen
lässt sich das, wenn man die Rangfolge der z.B. 10 "besten"
Länder in beiden Listen vergleicht, d.h. jene Länder in den
10 höchsten Rängen.
Die 10 Länder mit dem höchsten Wohlstand gemäß
des Human Development Index (HDI) und des Prosperity
Index (PI). Die Abkürzungen entsprechen den
internationalen Länderkennzeichen.
Es gibt demnach nur 3 Länder (no,nz,ca), die in beiden Indizes denselben Rang einnehmen. Auffallend ist natürlich insbesondere, dass die BRD (de) und die USA (us) im PI überhaupt nicht unter den 10 "besten" Ländern zu finden sind, mit ihrem Wohlstand also schlechter abschneiden3) als Irland (ie) auf Rang 10. Die USA stehen in diesem Index auf Rang 12, die BRD auf Rang 14. Aber selbst an dieser Rangfolge mag man zweifeln, wenn man sich die einzelnen Indikatoren 1-8 betrachtet (siehe Tabelle unten rechts).
Eine mehr fundamentale Kritik an diesen zwei Indizes bezieht sich auf den Umstand, dass beide die ökologischen Folgen menschlichen Handelns (den sog. ecologic footprint) unberücksichtigt lassen. In einer Studie des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie werden verschiedene Ansätze vorgestellt (und auch beurteilt: Tabelle 7 auf S. 52), wie die Anzahl von Indikatoren verändert oder vermehrt werden kann, um dieser Kritik zu entsprechen. Und obwohl es in Folge eigentlich genügend Indikatoren gibt, hat der deutsche Bundestag beschlossen, eine Enquete-Kommission zu berufen, welche einen neuen und diesmal deutschen Wohlstandsindex konstruieren soll. Das Ergebnis soll Anfang 2013 vorliegen, ich erwarte nicht, dass es die Widersprüche vermeidet, welche beim Vergleich zwischen HDI und PI offenbar werden. Ebenso erwarte ich nicht, dass die Mitglieder dieser Kommission ihre Arbeit kostenlos verrichten. Also wird das Geld des deutschen Steuerzahlers wieder einmal für ein fragwürdiges Projekt verschwendet. Und in der Tat: Die Kommission hat zwar 2013 einen Abschlussbericht vorgelegt, der aber nur einen Kompromiss zwischen ihren zerstrittenen Mitgliedern darstellt und der seither in der Versenkung verschwunden ist - die homepage der Enquete-Kommssion existiert nicht mehr. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1) Diese Definition ist in sich selbst widerspruchsvoll, da das BIP selbst keine physikalische Messgröße ist (siehe Kap. 3.1). 2) Hier wird als Gegenargument immer eine zukünftige Steigerung der Energieeffizienz ins Feld geführt. Ganz abgesehen davon, dass dies eine reine Hypothese ist, habe ich die Auswirkungen der Effizienzsteigerung in Energie3 berücksichtigt. 3) Ganz Schlaue kommen vielleicht auf die Idee, dass durch den Übergang von einer Mikro- zu einer Makroskala die Länder nach Wohlstandsklassen geordnet und damit Ungereimtheiten im Index vermieden werden. Der Übergang würde z.B. vermittelt durch die Transformation PI' = (PI - 1)/x +1, aber er würde Probleme nicht beseitigen. Für x = 10 würde z.B. Irland weiterhin zu einer höheren Wohlstandsklasse gehören, als die USA und BRD. |