Die
Grundlagen
für dieses Kapitel sind dem Buch Energie2
entnommen. Der Methodenvergleich zwischen Ökonomie und
Physik lässt erkennen, dass erstere, in ihrer orthodoxen
Form, nicht als exakte Wissenschaft angesehen werden kann.
Schon deswegen nicht, weil ihr eine essentielle
Voraussetzung fehlt - die eindeutige Definition einer
Basismaßeinheit. Der USD als Basismaßeinheit erfüllt die
notwendigen Kriterien (Unabhängigkeit von Ort und Zeit) auf
jeden Fall nicht. Demzufolge ist auch der Wohlstand der
Menschheit, gemessen mithilfe des Bruttoinlandprodukts BIP in der Einheit [BIP] = USD, keine
zuverlässige Größe, worauf besonders in Kap. 1.1
des Manuskripts Energie3 hingewiesen wurde, wo sie bei der
Berechnung der Energieeffizienz eine entscheidende Rolle
spielt.
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Dass in der heute gängigen
Wirtschaftslehre die Prinzipien und fundamentalen
Gesetzmäßigkeiten der Naturwissenschaften nicht
berücksichtigt werden, ist keine neue Erkenntnis. Seit
Beginn des vorigen Jahrhunderts hat es Ansätze gegeben, die
orthodoxe Wirtschaftslehre in die physikalische Richtung hin
zu erweitern. Ähnliche Versuche in andere Richtungen wurden
ebenfalls unternommen, sie alle zusammen ergeben
Teilbereiche der "Heterodoxen
Ökonomie". Aus diesen sind für unsere Zwecke
interessant die "Bioökonomie"
und die "Technokratie".
Insbesondere
im
Rahmen
der
Technokratie
gab es Bemühungen, den USD als Basismaßeinheit abzulösen
durch eine global gültige Einheit, welche an die sog.
CO2-Währung gekoppelt ist.
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Dieses Kapitel erhebt nicht
den Anspruch, eine neue Lehre im Rahmen der Heterodoxen
Ökonomie zu entwickeln. Es geht allein um die Frage, wie man
die Basismaßeinheit jeder Ökonomie so an die physikalische
Maßeinheiten koppeln kann, dass die Anforderungen einer
exakten Wissenschaft erfüllt werden. Ausgangspunkt ist das
Bruttoinlandprodukt BIP,
welches gewöhnlich in der Maßeinheit USD angegeben wird,
welches aber, physikalisch gesehen, entscheidend von unserer
Fähigkeit abhängt, Entropie S erzeugen zu können. Wie in Kap. 2.1
diskutiert, betrachten wir hier allein das reale
Bruttoinlandprodukt, welches definiert ist als
BIP = Gv =
G - Gm =
G ( 1 - ) |
(1) |
Dabei sind (siehe Kap. 2.1):
|
Gv
die vollwertige Geldmenge,
Gm
die minderwertige Geldmenge,
G = Gv +
Gm
die totale Geldmenge,
= Gm
/ (Gv
+ Gm)
die Verschuldung. |
|
Die Einheit der
Geldmenge wird gekoppelt an die Einheit der Entropie mittels
der Definitionsgleichung
Man mache sich klar, dass es sich bei dieser Gleichung um
eine Definition handelt, welche ein alternatives Maßsystem
festlegt, so, wie es in der Physik bei der Festlegung des
Basismaßsystems üblich ist. Ob diese Definition besser ist
als eine andere, lässt sich nur an den Erfolgen erkennen,
mit denen Messungen und Beobachtungen in der Ökonomie
realitätsnah beschrieben werden können. In der einfachsten
Form ist die Gleichung (2) linear, es gilt also
G = S.
Und da die Messskala neu festgelegt werden muss, kann man = 1 setzen. Dies ergibt eine neue
Basismaßeinheit mit dem Namen
[BIP] = [G] = Entro,
um den Zusammenhang mit der Entropie auch namentlich zu
erkennen.
|
Gemäß ihrer Definition
entsteht Entropie bei der Wandlung1) der Energie
Q = W (unter
Berücksichtigung der Energieerhaltung), wenn ein System mit
Temperatur T in
ein System mit der Umgebungstemperatur T0 übergeht,
S = W
(1/ T0
- 1/ T) W/ T0,
so lange T >> T0 gilt.
Bei der Berechnung der Entropie für ökonomische Probleme
sind jedoch folgende Tatsachen zu berücksichtigen:
- Die aus der
Eingangsenergie
Wi
maximal erzeugbare Entropie Smax
steht nur zum Bruchteil
der Menschheit zur Verfügung. Sämtliche anderen
Prozesse auf der Erde erfordern ebenfalls ihren
Anteil (1 - )
an der maximalen Entropie, wenn die
Lebensbedingungen auf der Erde nicht grundlegend und
irreversibel verändert werden sollen.
- Entscheidend für die Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse ist die
Nutzenergie
W = W4,
welche aber erst aus dem Bruchteil
Wi der Eingangsenergie gewandelt
werden muss. Dabei geht der Entropieanteil Sloss
verloren, welcher dem Nutzungsgrad der Wandlung
entspricht: Sloss
= (Wi/T0)
(1 - ).
Es gilt daher für die, dem Menschen zur Verfügung
stehenden Entropie
S = Smax
- Sloss
=  ( Wi/ T0)  ,
und für das reale Bruttoinlandprodukt2), gemessen
in der Einheit Entro, ergibt sich
BIP = (Wi/T0)
( 1 - ), |
(3) |
wobei wir davon ausgehen können, das die Umgebungstemperatur
T0 nur
wenig veränderlich, also konstant ist und in den
Skalenfaktor integriert werden kann: Die
neue Währung wird abhängig von der zur Verfügung stehenden
Energie Wi.
Vergleicht man das Welt-BIP in der Einheit Entro mit dem gleichen
in der gängigen Einheit USD, so ergibt aus diesem Vergleich
der Umrechnungskurs zwischen Entro und USD. Natürlich
übernimmt dieser Wechselkurs die Eigenschaften des USD: Er
ist abhängig von Ort und Zeit.
|
Für eine Vorhersage
zur Entwicklung des menschlichen Wohlstands ist es
jedoch von größerer Bedeutung, dass die fundamentale
Gleichung (3) unabhängig davon gilt, ob es sich bei
der zur Verfügung stehenden Energie Wi
um fossile oder erneuerbare Energien handelt. Die
Werte der in Gleichung (3) auftretenden Größen sind
allerdings für diese beiden Fälle drastisch
verschieden, wie aus der Tabelle rechts ersichtlich
ist.
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fossil
|
erneuerbar
|
*)
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1
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0.001
|
Wi
**) |
W(foss)
(variabel)
|
10000 W(foss)
(konstant) |
***) |
0.3
|
0.01
|
Die von der
Eingangsenergie abhängigen Parameterwerte in der
Gleichung (3)
|
Einige Bemerkungen zu der Tabelle oben rechts:
*) Für die fossilen Energien ist =1, weil die Menschheit diese Energieform
ausschließlich nutzt. Für die erneuerbaren Energien ist der
-Wert dem Buch Energie2
entnommen.
**) Die jährliche Energie, die von der Sonne auf
die Erde eingestrahlt wird, ist etwa 10000mal größer als die
zu Beginn des 21. Jahrhunderts gewandelten fossilen
Energien.
***) Der -Wert für
fossile Energien wurde dem Buch Energie2
entnommen. Im Fall der erneuerbaren Energien sind maßgeblich
die -Werte, welche bei der Wandlung von
Wi in
das entsprechende Primärenergieäquivalent W(ernb)
erreicht werden. Dies sind für die
Diese Werte werden weiter reduziert durch die Wandlung W(ernb)
-> W4
, so dass sich, gemittelt über alle Möglichkeiten, ein Wert
von ca. = 0.01 ergibt. Demnach
wäre, bei ausschließlicher Verwendung erneuerbarer Energien,
das globale Bruttoinlandprodukt nur noch etwa 1/3 so groß
wie jenes, das die Welt mithilfe fossiler Energien zu Beginn
des 21. Jahrhunderts erreichte. Noch entscheidender ist,
dass eine Steigerung des Welt-BIP mithilfe von Wi nicht weiter möglich ist,
weil die Solarenergie einen konstanten Wert besitzt.
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Ein anderer wichtiger
Parameter, welcher die Höhe des erreichbaren BIP, also den Wohlstand
der Menschheit bestimmt, ist der Umfang der Verschuldung :
Mit wachsender Verschuldung nimmt der reale
Wohlstand ab.
Diesem Abwärtstrend kann im Fall der erneuerbaren Energien
nur durch eine Vergrößerung des Nutzungsgrads begegnet werden, ein vermutlich nicht
besonders aussichtsreiches Unterfangen. Viel näher liegt die
Vermutung, dass die Menschheit wachsenden Wohlstand durch
eine Vergrößerung des -Werts zu
erreichen versucht, und damit ihre Umwelt dauerhaft
zerstört.
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Im Falle fossiler Energien
kann einer wachsenden Verschuldung mit einer Vergrößerung
des Energiebedarfs begegnet werden. Dies entspricht der
tatsächlich zu beobachtenden Entwicklung: Nach Kap. 1.1
des Manuskripts Energie3 wuchs der Energiebedarf in der
Dekade seit dem Jahr 2000 um etwa 30%. Trotzdem darf, um ein
positives Wachstum zu erreichen, die Verschuldung nicht
einen bestimmten Grenzwert überschreiten. Der Zusammenhang3)
zwischen steigendem Energiebedarf D(Wi)
= 1 + dWi/Wi 1 + (Wi) und
steigenden Schulden D( )
= 1 + d / 1 + ( )
lässt sich aus Gleichung (3) herleiten und sieht wie folgt
aus:
D( Wi)
> 1 + ( D( Wi) D(  )
- 1)  .
Diese Ungleichung ergibt, bei Vorgabe von einem der
Parameter, einen Zusammenhang zwischen den beiden anderen,
so dass trotz Verschuldung ein positives Wachstum erreicht
werden kann.
Beträgt z.B. die
Steigerung des Energiebedarfs D(Wi)
= 1.03 jährlich, so
besteht ein Zusammenhang zwischen Verschuldung und ihrer Zunahme D( ),
wie er in der Abbildung rechts dargestellt ist. Die
grüne Fläche kennzeichnet den Bereich, in dem bei
gegebener Verschuldung trotzdem ein positives
Wachstum möglich ist. Liegt die Verschuldung und der
jährliche Verschuldungsanstieg (= Haushaltsdefizit)
im roten Bereich, ergibt sich trotz eines
Energiezuwachses von jährlich 3% ein negatives
Wachstum. |

Der erlaubte
(grün) Verschuldungsanstieg bei gegebener
Verschuldung und bei einer Zunahme von 1.03 des
jährlichen Energiebedarfs
|
Danach ist ziemlich offensichtlich, dass bei einer
Staatsverschuldung von 70% eine weitere Verschuldung
praktisch ausgeschlossen werden muss, wenn der Wohlstand
eines Lands nicht abnehmen soll.
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Deutschland und die
USA haben, neben vielen anderen Staaten, mit ihrer
Politik zur Bewältigung der Finanzkrise diese
Staatsverschuldung längst erreicht. Andere Länder
stehen besser da, wie die Abbildung rechts zeigt.
Schweden hatte im Jahr 2010 sogar ein positives
Haushaltsdefizit. d.h. es hat weniger ausgegeben als
es eingenommen hat. Bezogen auf die
Haushaltskriterien der EU (blaue gestrichelte Linie)
haben allerdings alle der gezeigten EWU-Länder, mit
Ausnahme von Finnland, diese Kriterien verfehlt.
Trotzdem haben alle Länder im Jahr 2010 ein
positives Wachstum ausgewiesen. Sind die obigen
Schlussfolgerungen also falsch? |

Die Verschuldung
und das Haushaltsdefizit ausgewählter Länder in % ihres BIP
im Jahr 2010
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Es sollte bedacht werden, dass sich diese allein auf solche
Länder beziehen, welche im physikalischen Sinn als
abgeschlossen betrachtet werden müssen. Aufgrund der
Globalisierung des Handels trifft diese Charakterisierung
für kein Land zu. Aber wir gelangen zu der weiteren
Schlussfolgerung, dass ein positives Wachstum in hoch
verschuldeten Ländern nur durch den Außenhandel mit solchen
Ländern
ermöglicht wird, welche ihre Haushalte in Ordnung halten.
Das sollten diejenigen bedenken, welche einer weltweiten
Staatsverschuldung das Wort reden.
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1) Die
Energie W ist i.A.
eine vollwertige Form der Energie, Q dagegen eine minderwertige Form, d.h.
ihr Exergiegehalt ist abhängig von der Temperatur T. Daher kann W zwar vollständig in Q umgewandelt werden,
aber dabei geht ihr Exergiegehalt vollständig verloren, wenn
T = T0.
2) Welchen Wert das reale BIP in einem Land wirklich
erreicht, wird bestimmt von den Standort abhängigen
Parametern in Gleichung (3). Dies sind im Wesentlichen der
Nutzungsgrad und die Verschuldung , während die Energie Wi im Fall
erneuerbarer Energien einen festen Wert besitzt und nur im
Fall fossiler Energien von den noch vorhandenen Reserven und
der Kaufkraft des Lands bestimmt wird.
3) Das Verhältnis dX/X
ist bis auf wenige Prozente identisch mit dem Wachstum (X).
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