Die Schulden des Staats





Fast alle Staaten haben Schulden, entweder offene (wenn der Staatshaushalt veröffentlicht werden muss), oder im anderen Fall versteckte Schulden. Denn so lange ein Staat nicht ein eigenes Staatsvermögen besitzt, muss er sich für Investitionen das gleich am Anfang benötigte Kapital borgen und auf die dadurch entstandenen Schulden Zinsen zahlen. Das ist vollständig in Ordnung, wenn die getätigten Investitionen das Wachstum vergrößern und mithilfe des Zugewinns an Wohlstand das Kapital plus Zinsen im Laufe der Zeit zurückgezahlt werden kann.

Wir haben aber bereits gesehen, das ein begrenzter Zugang1) zu den Energiereserven auch ein begrenztes Wachstum zur Folge hat, d.h. das Wachstum ist nicht allein eine Frage des eingesetzten Kapitals, sondern auch eine Frage der verfügbaren Energie. Fehlende Energie mag vielleicht nicht der einzige Grund sein, wenn die wirtschaftlichen Wachstumsraten eines Staats gegen null gehen, aber vom physikalischen Standpunkt ist es der wichtigste und wesentliche Grund. Sind daher alle Energiereserven abgebaut, kommt das Wachstum zum Erliegen, unabhängig davon, wie viel Kapital in die Investitionen geflossen sind. In diesem Fall wird es dem Statt unmöglich, seine Schulden weiter zu bedienen - es kommt zu einer Schuldenkrise und der Rest des geliehenen Kapitals muss von den Gläubigern abgeschrieben werden.

Dies sind, in wenigen Sätzen und sehr vereinfacht dargelegt, die Rahmenbedingungen, unter denen Staaten ihre Staatshaushalte planen und ausführen müssen. Zusätzlich zum Staat existieren mindestens 2 weitere Akteure, die maßgeblich an der Planung und Ausführung beteiligt sind: Die Staatsbürger (hier Bürger genannt) und das Finanzsystem (hier Banken genannt, obwohl das Finanzsystem mehr Mitglieder umfasst als nur Banken allein). Die wesentlichen Aufgaben dieser insgesamt 3 Akteure sind:
  • Die Bürger (B): Sie sind die einzigen Akteure innerhalb des Gesamtsystems, die durch ihre Arbeit für reales Wachstum sorgen und damit den Wohlstand des Staats vermehren. Der Wohlstand wird in Form eines Geldwerts2) G gemessen, einen Teil davon geben die Bürger als Steuern und Abgaben an ihren Staat, einen anderen Teil zur Aufbewahrung und Vermehrung an die Banken.
  • Der Staat (S): Er fungiert als Organisator des bürgerlichen Daseins und verlangt dafür von seinen Bürgern eine Bezahlung in Form von Steuern und Abgaben . Im Prinzip könnte damit das Staatsvermögen vergrößert werden, aber die Aufgaben des Staats sind andere:
    1.
    Primäre Aufgabe des Staats ist es, seine Bürger in ihrem Dasein zu fördern und zu schützen. Diese Aufgabe unterscheidet sich von allen anderen Aufgaben darin, dass sie  neutral gegenüber dem wirtschaftlichen Wachstum des Staats ist.
    2.
    Sekundäre Aufgabe des Staats ist es, Investitionen zu tätigen, so dass das wirtschaftliche Wachstum des Staats gefördert wird.
    Man kann sich darüber streiten, welche von diesen Aufgaben die wichtigere ist. Wird die 1. Aufgabe als die wichtigere angesehen, nennt man diesen Staat gewöhnlich "Sozialstaat". Fast alle Staaten der EU gehören zu dieser Kategorie. Wird die 2. Aufgabe für wichtiger erachtet, so könnte man diesen Staat "Kapitalstaat" nennen, obwohl dieser Begriff nicht gebräuchlich ist. Vermutlich zählen alle nicht demokratisch verfassten Staaten zu dieser Kategorie.
  • Die Banken (F): Sie erhalten eine gewisse Geldmenge von den Bürgern zur Aufbewahrung. Aber das ist nicht ihre wichtigste Aufgabe. Diese besteht vielmehr darin, dem Staat das Kapital für die Erfüllung seiner Aufgaben, und dabei sollte  es sich eigentlich nur um Investitionen handeln, zur Verfügung zu stellen. Der Staat muss das geliehene Kapital samt Zinsen später an die Banken zurückzahlen. Die Banken fungieren somit als Zwischenhändler zwischen dem Staat und seinen Bürgern und dafür verlangen sie eine Vergütung, die ihr Vermögen vergrößert.
Diese Beziehungen, und das sind nur die wichtigsten, verbinden die 3 Akteure. Sie lassen sich bildlich darstellen, wie unten rechts gezeigt.  Die Kreise kennzeichnen die Akteure,
die Pfeile von Kreis zu Kreis die Geldflüsse zwischen den Akteuren. Dieses System ist abgeschlossen bis auf die Vermögen V, welche das System zu Parallelsystemen hin öffnet. Die Größen VS und VF können daher sowohl positive wie auch negative Werte annehmen, abhängig davon, ob Geld in das System (z.B als Staatskredit +VS) fließt, oder aus dem System (z.B. als Bankkredit -VF) abfließt.

Im Prinzip handelt es sich hier um ein zeitabhängiges Problem, denn G und V, wie auch die Geldflüsse werden sich zeitlich verändern.


Die Interaktionen zwischen den Akteuren Bürger (B), Staat (F) und Banken (F). Die Geldflüsse sind als Pfeile gezeigt, die Dreiecke kennzeichnen die Beziehungen zur Außenwelt.
Die Aufstellung der zugehörigen Differentialgleichungen ist aber unmöglich, wenn die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten unbekannt sind, also z.B. die Bedingungen, unter denen Banken ihre Kredite an Parallelsysteme vergeben. Das Problem wird sehr vereinfacht, wenn die Abbildung oben rechts nur eine Momentaufnahme der Beziehungen zwischen den Akteuren darstellt. Obwohl dies eine grobe Vereinfachung ist, können grundlegende Eigenschaften dieser Beziehungen analysiert und ihre Folgen untersucht werden. Dazu werden folgende Abkürzungen eingeführt:
Staatsquote qS: GBS = qS G
Sparquote qF: GBF = qF G
Definition qSF =qS/qF =GBS/GBF 
Im Allgemeinen gilt G > GBS + GBF = (qS + qF) G und daraus folgt (qS + qF) < 1, aber 0 < qSF < . Die Kapitalzinsen für Kredite sind z > 0 und folglich GSF = (1 + z) GFS > GFS.

Wir nehmen zunächst an, dass in dem System kein minderwertiges Geld entsteht. Dann muss gelten für die Leistungen
des Staats an die Bürger:
GSB = GBS - z GFS + VS
(1)
der Banken an die Bürger:
GFB = GBF + z GFS + VF
Mindestens im Falle des Sozialstaats kann man davon ausgehen, dass GSB > GFB. Ein ausgeglichener Haushalt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zuflüsse von Außen in das System gleich groß sind wie die Abflüsse, also VS = 0 und VF = 0, wenn Staat und Banken ausgeglichene Haushalte aufweisen.
Unter dieser Annahme lässt sich die Bedingung  für das maximal mögliche Kreditvolumen herleiten, das der Staat sich von den Banken leihen kann:
.
Der Parameter R entspricht dem Verhältnis des Gelds GFS, das sich der Staat von Banken leiht, zu dem Geld GBS, dass der Staat von seinen Bürgern einzieht. In der Abbildung rechts ist Rmax in Abhängigkeit von z und qSF gezeigt.

Das maximale Kreditvolumen in Abhängigkeit von Zinssatz und dem Verhältnis von Staats- zur Sparquote.
Die Schlussfolgerungen sind offensichtlich:
Je geringer der Zinssatz und/oder je höher die Staatsquote im Vergleich zur Sparquote, um so mehr Geld kann der Staat von den Banken leihen. Aber man lasse sich nicht irreführen: Das geliehene Geld geht zurück an die Banken in Form von Tilgung und Zinsen der Schulden. Denn bei maximalem Kreditvolumen wird der Staat immer ärmer und die Banken immer reicher. Relativ zu den Einzahlungen der Bürger gilt nämlich bei ausgeglichenen Haushalten:
Für den Staat
    GSB/GBS = 1 - z Rmax  < 1
Für die Banken
   GFB/GBF = 1 + z qSF Rmax > 1.
Es ist schwer vorstellbar, dass Banken diesen Überschuss tatsächlich an die Bürger zurückgeben. Vielmehr werden sie das System öffnen und dann Geld an Parallelsysteme verleihen, so wie der Staat versuchen wird, seiner Geldnot durch Kredite aus Parallelsystemen zu begegnen. Die Haushalte werden unausgeglichen, aber an den Folgen der Kreditaufnahme bzw. Vergabe ändert dies nichts (siehe Gleichung (1)): Geld wird umverteilt vom Staat (VS(in) + VS(out) < 0) auf die Banken (VF(in) + VF(out) > 0), bis der Staat seine Schulden nicht mehr bedienen kann.

Ein Ausweg aus dieser Notlage ist bereits erwähnt worden: Wachstum3). Aber wie viel Wachstum ist notwendig, damit die Staatsschulden nicht unbedienbar werden? Mit dieser Frage werden wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen.

Bleibt ein genügend hohes Wachstum aus, hat der Staat nur noch eine Möglichkeit, seiner Schuldenfalle zu entkommen. Er ist der einzige Akteur, welcher die Verfügungsgewalt über die Geldmenge hat und kann diese Macht benutzen, um minderwertiges Geld zu drucken. Damit wird der Wert des Gelds Gv, das der Staat an Bürger und Banken ausgibt, geringer und zwar um einen Inflationssatz y, der sich mithilfe der voll- und minderwertigen Geldmenge berechnet zu
G = Gv + Gm = Gv ( 1 + Gm/Gv) = Gv ( 1 + y) --> Gv = G/(1 + y) mit y > 0.
Der Schuldendienst des Staats an die Banken, relativ zum Wert des vollwertigen Gelds, vermindert sich so um GSF = GFS (1+z)/(1 + y) und die Leistungen des Staats an seine Bürger, im Fall eines ausgeglichenen Haushalts, betragen nun
GSB = GBS + GFS (1 - (1+z)/(1+y)).
Der Wert in der Klammer ist positiv (die Leistungen erhöhen sich), wenn
1 - (1+z)/(1+y) > 0 --> y > z,
d.h. der Inflationssatz y muss größer sein als der dem Staat von den Banken gewährte Zinssatz z. Auf der anderen Seite entwickeln sich die Leistungen der Banken an die Bürger bei ausgeglichenem Haushalt gemäß
GFB = GBF + GFS ((1+z)/(1+y) - 1)
und der Wert in der Klammer ist negativ, wenn y > z: Die Banken werden ärmer.
 
Die EU lässt einen Inflationssatz  von y = 0.02 noch zu, trotzdem erhält die BRD ihre Bankkredite zu einem Zinssatz von z  0. Also können die Banken bei der Kreditvergabe an die BRD nichts verdienen. Aber das ist nicht der Normalfall, denn Banken werden sonst immer ihre Kreditkonditionen so festlegen, dass z > y, besonders dann, wenn der Schuldner nur eine geringe Bonität besitzt. Eines wird aber erkennbar: Die mögliche Lösung der Staatsschuldenkrise mithilfe der Inflation überschwemmt die Banken im Normalfall mit minderwertigem Geld, das diese versuchen werden zu reinvestieren. Wenn möglich, natürlich in reale Werte, wie z.B. in die noch vorhandenen Erdölreserven. Die dabei benutzten Methoden sind oft nur noch Fachleuten verständlich, also versuchen einige Staaten, die Banken zu regulieren. Aber der eigentliche Auslöser für derartige Probleme ist die Menge des minderwertigen Gelds und dafür sind allein die Staaten verantwortlich.


1) Die Begrenzung des Zugangs muss nicht allein geografisch verstanden werden, der Zugang kann auch begrenzt werden durch einen zu hohen Energiepreis.
2) Eigentlich sollte hier der Wert des vollwertigen Gelds Gv benutzt werden. In der Realität lässt sich dieser aber nicht von dem des minderwertigen Gelds Gm unterscheiden und beide zusammen werden durch G gekennzeichnet.
3) Hier wird eine weitere Konsequenz einer Nullwachstumspolitik offensichtlich: Das Finanzsystem muss aufgelöst werden, damit der Staat nicht in eine Schuldenfalle gerät. Es ist eigenartig, dass diese Forderung von den Apologeten des Nullwachstums nicht gleichzeitig erhoben wird.