| Die letzten beiden Kapitel
            erbrachten die Belege dafür, wie stark die Entwicklung einer
            Volkswirtschaft abhängig ist von der Verfügbarkeit über die
            Quellen vollwertiger Energie, also insbesondere von der
            Verfügbarkeit über konventionelle und unkonventionelle
            Ölquellen. Der Weltmarkt für Erdöl ist heute noch in hohem
            Masse unabhängig von lokalen Einflüssen, d.h. der
            Spottmarktpreis für Erdöl ist ziemlich unabhängig davon, wo
            sich die entsprechenden Erdölquellen befinden, obwohl in
            vielen Ländern die Erdölförderung inzwischen verstaatlicht
            ist1). 
              
                
                  
                    | Dies wird aus der
                      Abbildung rechts ersichtlich, welche die  Entwicklung
                      der Spottmarktpreise seit 1974 für verschiedene
                      Förderregionen zeigt: 
 
                        Man beachte: Diese Abbildung stellt die nominellen
                      Preise dar, beinhaltet also auch die
                      Preissteigerungen aufgrund der Inflation.Arabische Halbinsel (Dubai),Europa (Nordsee),Afrika (Nigeria),USA (Texas). 
 Daher sollte davon ausgegangen werden, dass jede
                      Volkswirtschaft in etwa die gleichen
                      Voraussetzungen für ihre Entwicklung vorfindet,
                      sofern sie in der Lage ist, den geforderten
                      Energiepreis zu bezahlen. Dieser hat seit Beginn
                      des 21. Jahrhunderts stark zugenommen, eine
                      Entwicklung, welche die schon jetzt schwachen
                      Volkswirtschaften weiter behindern muss.
 
 | 
 
 
  Die Entwicklung
                        der Spottmarktpreise für Erdöl aus 4
                        verschiedenen Quellen in der Periode von 1974
                        bis 2011.
 
 
 |  Man sollte daher erwarten,
                dass Staaten mit wachsenden wirtschaftlichen Problemen
                versuchen werden, dieser Entwicklung einer ständig
                sinkenden Steigerung ihres Bruttoinlandprodukts mithilfe
                von Preissenkungen für Energie entgegen zu wirken. Aber
                weit gefehlt, wie sich an vielen Indikatoren erkennen
                lässt:
 
                
                  
                    
                      | Schaut man sich
                        z.B. die Preise für Benzin im Jahr 2012 - also
                        drei Jahre nach der Finanzkrise - in
                        verschiedenen Ländern an (rechte Abbildung), so
                        wird folgendes ersichtlich: 
 
                          In den wirtschaftlich starken Ländern (USA
                            und China) ist der Benzinpreis nur ca.
                            1.6mal so hoch wie der Spottmarktpreis für
                            Erdöl.In den Ländern der EU, welche besonders
                            mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu
                            kämpfen haben (Frankreich, Spanien,
                            Italien), ist der Benzinpreis dagegen mehr
                            als 4mal so hoch wie der Spottmarktpreis für
                            Erdöl.Als einziges der betrachteten Länder in
                            der EU scheint England noch einen
                            Benzinpreis zu besitzen,der vergleichbar ist
                            mit dem der USA. Man fragt sich, ob das eine
                            Reminiszenz an die Tage des reichlich
                            fließenden Nordseeöls ist, welche immer mehr
                            der  Vergangenheit
                            angehören, und ob nicht auch hier bald eine
                            Angleichung an die EU-Standards zu erwarten
                            ist. 
 | 
 
  Die Preise für
                          Benzin im Mai 2012 in einigen ausgesuchten
                          Ländern (Nordamerika in rot, Südamerika in lila,
                          Asien & Ozeanien in grün und EU in blau).
 
 |  Man fragt sich weiterhin,
                  welches die Gründe für die großen Preisdifferenzen
                  beim Benzin sind. Sicherlich ist die Verarbeitung des
                  Rohöls nicht verantwortlich, die reinen
                  Raffineriekosten sind nicht ortsgebunden. Der
                  Preistreiber ist der Staat, der über Steuern und
                  Abgaben die Preise in die Höhe treibt. Nimmt man
                  Deutschland als Beispiel, so fallen heute   55.34% 
                  des an der Zapfsäule zu zahlenden Preises an den
                  deutschen Staat. Das entspricht etwa der Differenz,
                  die zwischen dem Benzinpreis in England und
                  Deutschland besteht.
                  
                 | 
        
          | 
              
                
                  Nun ist der Benzinpreis
                    ein Indikator, der hauptsächlich die Privatpersonen
                    betrifft, welche lange Strecken mit dem Auto
                    zurücklegen müssen. Er beeinflusst das
                    Bruttoinlandprodukt eines Staats nur sehr indirekt,
                    indem der Wirtschaft das Geld entzogen wird, dass
                    sonst in andere Waren und Dienstleistungen geflossen
                    wäre. Viel direkter sind die Auswirkungen der
                    Energiepreise, welche von der Wirtschaft selbst zu
                    bezahlen sind und die das Bruttoinlandprodukt
                    unmittelbar beeinflussen. Und hier erkennt man, dass
                    die Staaten sich durchaus bewusst sind, welche
                    Einflüsse ihre Preispolitik auf die jeweilige
                    Volkswirtschaft haben - sie setzen unterschiedliche
                    Abgaben fest, je nach dem, ob sie von Privatpersonen
                    oder der Industrie zu zahlen sind. Man geht nicht
                    fehl mit der Annahme, dass private Haushalt
                    wesentlich höher mit Steuern und Abgaben belastet
                    sind, als die Industrie.
 
 | 
        
          | Dies lässt sich anhand von
            zwei Beispielen demonstrieren, nämlich den Preisen für  elektrische
              Energie und an den  Erdgaspreisen,
            die in den sechs ausgesuchten Ländern der EU zu zahlen sind.
            In den folgenden Abbildungen auf der rechten Seite werden
            die jeweiligen Preisentwicklungen in den Jahren von 2009 bis
            2011 gezeigt, und zwar durch Balken in der zeitlichen
            Reihenfolge von links nach rechts. Blaue Balken stellen die
            Energiekosten der Industrie, rote Balken die der
            Privathaushalte dar. 
 
 
              
                
                  | Die Elektropreise für
                    Privathaushalte sind vergleichbar mit den
                    Benzinpreisen in der EU, sie sind aber in den
                    meisten Ländern während der letzten drei Jahre
                    kontinuierlich gestiegen. In jedem Land liegen die
                    Preise für die Privathaushalte über denen der
                    Industrie. Ein Extremfall bildet Deutschland, wo die
                    Preise am höchsten sind und das Preisverhältnis etwa
                    den Faktor 2 erreicht. In Zukunft wird sich diese
                    Tendenz weiter verstärken, wenn nämlich die
                    Folgekosten der  Energiewende
                    auf Deutschland zukommen. Und man kann davon
                    ausgehen, dass diese überwiegend von den
                    Privathaushalten zu stemmen sind, denn schon jetzt
                    sind die Industriepreise für elektrische Energie in
                    Deutschland etwa 50% höher als in Frankreich, das
                    seine elektrische Energie viel billiger von
                    Kernkraftwerken bezieht. Keine deutsche Regierung,
                    die sich staatlichem Wohlstand verpflichtet fühlt,
                    kann es hinnehmen, dass sich dieser
                    Wettbewerbsvorteil zugunsten anderer Länder weiter
                    vergrößert, indem die Energiekosten der deutschen
                    Industrie durch Steuern und Abgaben weiter steigen. 
 |  Die Kosten für
                      elektrische Energie in zeitlicher Reihenfolge von
                      links nach rechts während der Periode von 2009 bis
                      2011. Für den Umrechnungskurs zwischen Euro und
                      USD wurde ein fester Wert von 1.3 angenommen.
 
 |  
 
              
                In den nächsten Kapiteln werden wir uns insbesondere mit der
            Frage beschäftigen, welchen Einfluss staatliche Schulden auf
            die wirtschaftliche Entwicklung eines Lands besitzen.
            Industrielle Wettbewerbsfähig ist eine andere Bedingung für
            wirtschaftlichen Erfolg und dieser lässt sich erkennen an
            den Handelsbilanzen, die für Deutschland seit Jahren positiv
            sind. Um an der Spitze zu bleiben, sollte man aber solche
            Bedingungen nicht gegeneinander ausspielen: Die
            Energiepreise gelten global, unterliegen darüber hinaus aber
            weitgehend staatlicher Kontrolle, wie auch die
            Schuldenpolitik. Ũber die Entwicklung der Weltwirtschaft
            aber haben deutsche Regierungen überhaupt keine Kontrolle.
                  | Bei dem Erdgas ist
                    der Preisunterschied zwischen Privathaushalten und
                    Industrie gleichfalls zu erkennen. Besonders groß
                    ist dieser Unterschied in Italien, Privathaushalte
                    werden dort fast 3mal stärker belastet als die
                    Industrie. Ansonsten liegen die Gaspreise der für
                    die Industrie im Jahr 2011 bei durchschnittlich
                    0.034 USD/kWh, in Deutschland allerdings sind sie
                    50% höher, nachdem sie in den zwei Jahren davor
                    rasant gestiegen waren. 
 Vergleicht man die Energiepreise zwischen den sechs
                    Ländern der EU, so nimmt Deutschland in jedem Fall
                    einen der vorderen Plätze ein, insbesondere bei den
                    Energiekosten für die Industrie, die hier besonders
                    hoch sind. Daher ist es überraschend, dass
                    Deutschland trotzdem eine Spitzenposition innerhalb
                    dieser Länder beim Wirtschaftswachstum besitzt. Ganz
                    klar: Der Zugang zu vollwertiger Energie ist nur
                    eine notwendige, nicht aber eine hinreichende
                    Bedingung für diese Position.
 
 |  Die Kosten für
                      Erdgas in zeitlicher Reihenfolge von links nach
                      rechts während der Periode von 2009 bis 2011. Für den
                      Umrechnungskurs zwischen Euro und USD wurde ein
                      fester Wert von 1.3 angenommen.
 
 
 |  
 
 | 
        
          | Wie also wird es weitergehen?
            Da die globale Versorgung mit vollwertiger Energie immer
            schwieriger werden wird, sieht es insbesondere für Europa
            schlecht aus, einer Region ohne eigenen Zugang zu Quellen
            vollwertiger Energie. Während Länder außerhalb wegen ihrer
            jetzt noch niedrigen Energiepreise eine Preissteigerung wohl
            verkraften könnten (sie würden dann gerade das europäische
            Niveau erreichen), wird die Lage in der EU kritisch. Denn
            einerseits kann die Energie für die Industrie nicht
            wesentlich verteuert werden, ohne dass das
            Bruttoinlandprodukt sinkt, andererseits wird die Bevölkerung
            eine zu große Differenz zwischen den Energiepreisen für
            Industrie und Privathaushalte nicht hinnehmen. Also müssten
            Steuern und Abgaben gesenkt werden,  eine wohl
            unlösbare Aufgabe, wenn die Anforderungen des Elektorats an
            seinen Staat weiter steigen. Ich sehe in der EU keine
            demokratisch gewählte Regierung, welche eine Lösung für
            dieses Problem gefunden hätte. 
 
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          | 1) Die
            Verstaatlichung resultiert sehr oft in extrem niedrigen
            Preisen für Erdölprodukte in den Ländern mit verstaatlichter
            Erdölförderung. Ein Extrembeispiel ist Venezuela, wo der
            Preis für Benzin weniger als 0.005 USD/kWh
  beträgt,
            also etwa 20mal geringer ist als in den USA, wo Benzin
            bereits sehr billig ist, wenn man mit den Benzinpreisen in
            der EU vergleicht (siehe Abbildung oben). 
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