Der Merkel-Plan

In den Jahren 2008 bis 2012 läuft das Kyoto-Protokoll aus und niemand glaubt, dass seine Ziele bis 2008 erreicht sein könnten. Und auch nur Optimisten glauben, dass dies bis zum Jahr 2012 der Fall sein könnte. Und selbst in diesem Fall wären die weltweiten CO2-Emissionen nicht wirklich vermindert worden, weil die we-Länder an die Bestimmungen des Protokolls nicht gebunden sind. Im Jahr 2008 sollen die Verhandlungen für ein Nachfolgeprotokoll beginnen und dieses muss auch Vorschriften für die CO2-Emissionen der we-Länder enthalten.

Um dies zu erreichen, hat Frau A. Merkel, die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, auf ihrer Ostasienreise im Jahr 2007 folgenden Vorschlag gemacht:
  • Die we-Länder dürfen ihre Pro-Kopf-Emissionen an CO2 so weit erhöhen, bis sie den Wert der entsprechenden CO2-Emissionen in den ve-Ländern erreicht haben, welche in dieser Zeit sinken werden.
Dieser Merkel-Plan enthält keine Fristen, und diese sind im Prinzip auch nicht notwendig um zu untersuchen, ob dieser Plan irgendeine Chance für seine Verwirklichung besitzt. Dagegen hat sich die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland im August 2007 selbst eine Frist gesetzt:
  • Deutschland wird bis zum Jahr 2020 seine CO2-Emissionen auf 60% des Werts im Bezugsjahr 1990 reduzieren.
Diese Selbstverpflichtung führt natürlich nur zu einer vernachlässigbar kleinen  Reduzierung der globalen CO2-Emissionen. Er ist wohl auch mehr als Aufforderung an andere Länder gedacht, diesem Beispiel zu folgen. Die Zeitangabe ist wahrscheinlich auch ein Hinweis darauf, innerhalb welcher Frist Frau A. Merkel glaubt, dass dies gelingen könnte.

Aber besitzen die ve-Länder überhaupt diese Möglichkeit, d.h. können sie ihre CO2-Emissionen so drastisch reduzieren, wie es Deutschland vorschlägt? Und welche Auswirkungen würde das auf die globalen CO2-Emissionen haben?

Sehen wir uns die Situation im Bezugsjahr 1990 an und vergleichen wir diese mit der Situation im Jahr 2005, für das die letzten sicheren Daten vorliegen1), siehe die Tabelle rechts. Demnach hat sich der weltweite CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2005 trotz des Kyoto-Protokolls um 32% erhöht, und zwar etwa gleich stark in den ve-Ländern wie den ve-Ländern. In den ve-Ländern ist die Steigerung aber im Wesentlichen auf die Zunahme der Bevölkerung zurückzuführen, wie man an dem fast konstanten Wert der CO2-Emissionen pro Kopf (p.c.) erkennen kann. Erst seit etwa 2000 nimmt der CO2-Ausstoß in diesen Ländern mit jährlich 5.7% stärker zu als in den ve-Ländern mit jährlich 1%. Dies ist auf die dann einsetzende, stärkere wirtschaftliche Entwicklung in den we-Ländern zurückzuführen.

CO2-Emissionen in 1990

CO2
(109 t a-1 )
CO2 p.c.
(t a-1)

ve-Länder 10.26
9.96

we-Länder 11.17
2.63

Welt
21.93
4.06


CO2-Emissionen in 2005

CO2
(109 t a-1 )
CO2 p.c.
(t a-1)
CO2-Zuwachs (%)
ve-Länder 13.65
11.77
1.0
we-Länder 14.65
2.77
5.7
Welt 28.30
4.39
3.3
Wichtige Daten über die CO2-Emissionen seit 1990. Der jährliche CO2-Zuwachs für 2005 entspricht dem Mittelwert in der Zeit von 2000 bis 2005.

Für die Berechnung der weltweiten CO2-Emissionen auf der Grundlage des Merkel-Plans ist es nicht entscheidend, innerhalb welcher Frist die ve-Länder ihre CO2-Emissionen reduziert haben müssen, sondern entscheidend ist die Größe der Weltpopulation am Ende dieser Frist. Die Abhängigkeiten der CO2-Emissionen von der Population und der Reduktion sind in der Abbildung rechts dargestellt. Wir nehmen an, dass die Weltpopulation im Jahr 2020 ca. 8 Mrd Menschen betragen wird, im Jahr 2050 wird sie sich auf ca. 10 Mrd Menschen erhöht haben. In der Abbildung ist ebenfalls (als grüne Linie) die Größe der CO2-Emissionen gezeigt, die 60% des Werts im Bezugsjahr 1990 entsprechen.



Abhängigkeit der globalen CO2-Emissionen von der Größe der Weltpopulation und der erzielten CO2-Reduktion, gemessen an den Daten für 2005.
Anhand der Abbildung ist deutlich zu erkennen, dass die ve-Länder ihre CO2-Emissionen für 2005 um ungefähr 85% reduzieren müssten, um wieder eine Emissionsrate zu erreichen, welche um 40% unter der von 1990 liegt, wie es Deutschland vorschlägt. Dies impliziert, dass die Pro-Kopf-Emissionen an CO2 nur noch 1.61 t a-1 (für eine Population von 8 · 109 Menschen), bzw. 1.29 t a-1 (für eine Population von 10 · 109 Menschen) betragen dürften. Dies ist weniger, als die Menschen in den we-Ländern bereits 1990 pro Kopf emittierten, und daher vollkommen unrealistisch: Es ist nicht vorstellbar (und auch nicht zumutbar), dass die we-Länder ihren jetzt erreichten Entwicklungsstand bis 2020 wieder aufgeben, wie es der Merkel-Plan verlangen würde. Ebenso unvorstellbar ist, dass die ve-Länder dazu bereit sein könnten, obwohl ihre Population nicht mehr ansteigt.

Die Weltgemeinschaft könnte daher, falls sie den Merkel-Plan überhaupt in Erwägung zieht, versucht sein, die Frist für die CO2-Reduktion auf nach 2020 zu verlängern. Denn nach diesem Zeitpunkt werden sich die  CO2-Emissionen von selbst verringern (weil die biogen-fossilen Energieträger knapp werden, siehe Kap. 1.1), und auch der Bevölkerungszuwachs wird sich langsam verringern (siehe Energie2 und auch Kap. 6.3). Darüber hinaus zeigt die obige Abbildung, dass die Bevölkerungszahl nur einen geringen Einfluss auf die Höhe der zu erreichenden CO2-Reduktion hat.


2) Die schwarze Kurve zeigt die erwarteten CO2-Emissionen ohne Reduktion, die roten Kurven die berechneten Emissionen mit Reduktion innerhalb einer bestimmten Frist.
Links:
Der zeitliche Verlauf der CO2-Emissionen bei verschiedenen Reduktionsfristen2).
Rechts:
Die mittleren CO2-Emissionen (normiert auf 1990) bis 2020.

Die Reduktionsfristen reichen von 1990 bis  2020 (1), 2025 (2),
2030 (3), 2035 (4), 2040 (5),
2045 (6), 2050 (7).


Aber natürlich hat die Fristverlängerung einen entscheidenden Einfluss darauf, wie viel CO2 noch bis zum Jahr 2020 emittiert wird. Die einfachste Funktion, welche darstellt, wie sich die globalen CO2-Emissionen nach 2005 entwickeln werden, ist die Potenzreihe 2. Grades. Wir haben diese Funktion benutzt unter der Annahme, dass die CO2-Emissionen bis zu einem gewissen Zeitpunkt vor dem Jahr 2050 so reduziert werden können, wie es der Merkel-Plan vorsieht. Die Ergebnisse sind in der Abbildung oben (links) dargestellt. Notwendigerweise  werden nach diesem Plan die  CO2-Emissionen in einem gewissen Jahr ihren maximalen Wert erreichen, dieses Jahr verschiebt sich weiter in die Zukunft und der maximale Wert wird höher, je später das Reduktionsziel erreicht wird.

Aber garantiert diese unrealistische Forderung auch wirklich, dass die Emissionen bis 2020 so stark abnehmen, dass sie im Mittel geringer sind als die im Bezugsjahr 1990? In der Abbildung oben (rechts) ist gezeigt, wie sich der Mittelwert der jährlichen Emissionen zwischen 1990 und 2020, bezogen auf das Jahr 1990, verändert in Abhängigkeit von dem Reduktionszeitraum. Demnach wird selbst innerhalb der Frist, zu der sich die deutsche Bundesregierung verpflichtet hat, im Mittel immer noch mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen, als es im Jahr 1990 der Fall war. Und das Verhältnis wird um so größer, je später nach 2020 das Reduktionsziel erreicht wird. Und man sollte nicht übersehen, dass dieses Ziel wohl keine Chance hat, von den ve- und we-Ländern akzeptiert zu werden.

Es ist eigentlich unvorstellbar, dass ein/e Physiker/in diese sehr einfachen Berechnungen nicht selbst hätte ausführen können. Trotzdem besteht seitens der deutschen Bundesregierung offensichtlich die Absicht, den Merkel-Plan als Verhandlungsgrundlage in die Nachfolgekonferenzen zum Kyoto-Protokoll einzubringen. Dann muss sie sich fragen lassen, ob sie den Unterschied zwischen Utopie und Realität kennt. Hier ist nicht der Ort, um die Motive und unverständlichen Entscheidungsmechanismen der Bundesregierung zu erforschen. Aber man darf darauf hinweisen, dass sich die Regierungen in demokratisch verfassten Ländern nach einer bestimmten Zeit dem Wähler stellen müssen, um weiter regieren zu können. Und in schwierigen Zeiten könnte die Botschaft an den Wähler lauten:
"Wenn die Reisegesellschaft in der Wüste schon ohne Wasser ist, dann hilft es ihr vielleicht, wenn sie vom Wasser träumen darf."
Wird der Wähler sich davon überzeugen lassen, dass ein Traum auch eine Lösung ist?

Eine Bundesregierung, welche ihre Politik mit tatsächlichen Fakten begründet, müsste den Merkel-Plan eigentlich dahin gehend ändern, dass die CO2-Emissionen der ve-Länder innerhalb eines Jahres um 85% reduziert werden müssen. Und da diese Ziel in keinem Fall erreicht werden kann, schwimmt sie lieber mit dem Strom der öffentlichen Meinung, anstatt einen Plan vorzulegen, welcher die Konsequenzen aus der Erhöhung der globalen  CO2-Konzentration in der Atmosphäre beschreibt und wie in Deutschland darauf reagiert werden soll2). Dazu gehört auch eine vorurteilsfreie Analyse der Tatsache, dass trotz jahrelanger Subventionen die erneuerbaren Energien in Deutschland so wenig zur Energieversorgung beitragen (siehe Kap. 3.1), und über welche anderen Energieträger Deutschland verfügt, die nicht zu den CO2-Emissionen beitragen.


1) Wir benutzen die publizierten Daten der Energy Information Administration (EIA) und verwenden als ve-Länder die Länder der OECD.
2) Dass Frau Merkel ihren Plan selbst nicht so ernst nimmt, zeigt ihr Einsatz für die deutsche Autoindustrie bei der EU und ihre erklärte Priorität bei dem Ziel, die Arbeitslosenquote zu reduzieren. Dieses Ziel ist konträr zu dem des Klimaschutzes.