Die Struktur der erneuerbaren Energien
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Zunächst eine Erläuterung:
Wenn in diesem Manuskript, wie auch in energie2 und den
sonstigen Medien, von Energie W die Rede
ist, handelt es sich oft um Leistung P.
Welche dieser beiden Größen eigentlich gemeint ist,
erkennt man an ihren Einheiten: [W] = kWh, [P]
= kWh/a (oder W). Außerdem besteht in den Medien
keine Klarheit darüber, welche Energien als "erneuerbare
Energien" zu bezeichnen sind. Sind damit die in energie2 so
genannten Eingangsenergien Wi (Solarenergie, Erdwärme,
Gravitationsenergie) gemeint, oder die daraus gewandelten
Primärenergieäquivalente W(ernb) (überwiegend
elektrische Energie)? In dem vorliegenden Manuskript
werden wir beide Stufen des Wandlungsprozesses mit dem
Begriff der erneuerbaren Energien kennzeichnen, denn aus
dem Text wird meistens deutlich, um welche Stufe es sich
handelt. In Einzelfällen wird aber auch darauf
hingewiesen, welche Stufe gemeint ist. Ein weiteres
Problem tritt auf, wenn man die Notwendigkeit der
Energiespeicherung betrachtet, welche sich aus dem
fluktuierenden Angebot erneuerbarer Energien ergibt.
Dann benutze ich
auch die alternative Größe Primärenergieangebot PEA
für die gewandelte Energie (die u.U. identisch zur
Endenergie ist), dagegen Primärenergiebedarf PEB
manchmal für die installierte Energie. In diesem Fall gilt
immer PEB > PEA. Im Jahr 2020
z.B. galt für die Versorgung Deutschlands
mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen PEB
= 4.6 PEA, und trotzdem konnten damit nur 45% des
tatsächlichen Strombedarfs gedeckt werden.
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Es ist i.A. nicht
einfach, den Anteil erneuerbarer Energien an der
globalen Versorgung mit Primärenergie zu ermitteln. Aber
im Prinzip setzt sich dieser Anteil aus 3 verschiedenen
Energieformen zusammen (siehe Energie2):
- Der elektrischen Energie W(ernb)el, die
eigentlich eine Form von
Endenergie
ist,
- der chemischen Energie W(ernb)chem,
- und der thermischen Energie Q(ernb).
Während z.B. die BP
für W(ernb)el
und W(ernb)chem
zuverlässige Daten auch global zur Verfügung stellt,
fehlen diese fast vollständig für Q(ernb).
Dafür gibt es verständliche Gründe. Die Hauptbeiträge zu Q(ernb)
kommen aus der Verbrennung von Biomasse und der
Solarthermie zur Erwärmung von Wasser. Die traditionelle
Nutzung von Biomasse findet überwiegend im Sektor "private
Haushalte" statt und lässt sich daher nur schwer
statistisch erfassen. Ähnliches gilt für die Solarthermie,
von der sich allerdings annehmen lässt, dass ihre
Bedeutung auch viel geringer ist.
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Um beide Beiträge zu
berücksichtigen, ist man auf plausible Abschätzungen
angewiesen. Eine Abschätzung,
welche für 2008 einen 13% Beitrag der traditionellen
Biomassenutzung zur Endenergieversorgung der Welt angibt2),
ist nicht plausibel. Denn
diesem entsprechen 1.27 · 1013 kWh a-1
und dieser Betrag übersteigt den Grundumsatz3)
von 6 Mrd Menschen um mehr als des 4fache. Jeder
beantworte sich selbst diese Frage: Verwende ich mehr als
des 4fache meines jährlichen Nahrungsbedarfs, um meinen
Heizungsbedarf durch Produkte aus der Forst- und
Landwirtschaft zu decken? Sicherlich nicht, denn sonst
wäre die Mehrzahl der Menschen längst verhungert. Der
Grund für diese Fehlabschätzung liegt vermutlich darin,
dass zur "Biomasse" auch der Beitrag gezählt wird, der
durch die fortschreitende
Vernichtung der Wälder, insbesondere der
Regenwälder, entsteht und zu dem sich nur sagen lässt:
- Dieser Beitrag ist nicht nachhaltig, denn die
Geschwindigkeit der Waldvernichtung lässt ein gleich
schnelles Nachwachsen des Walds nicht zu. Daher ist
dieser Beitrag zur Biomasse auch nicht "erneuerbar".
- Die Waldvernichtung ist nicht nur nicht nachhaltig,
sondern sie hat auch große Auswirkungen auf unsere
Umwelt, insbesondere auf den
Kohlenstoffkreislauf
und den Wasserhaushalt
der Erde.
- Der Grund für die Waldvernichtung ist nicht nur in
der Energieversorgung zu suchen, sondern Brandrodungen
geschehen gewöhnlich zur Gewinnung von
landwirtschaftlichen Nutzflächen (siehe dazu auch
Kap. 3.9.2). Ein weiterer
Grund ist die starke Nachfrage nach Edelhölzern in der
Holzindustrie. Das unsachgemäße Fällen von solchen
Baumbeständen verursacht gleichzeitig irreparable
Schäden an anderen Baumbeständen, für die gar keine
Nachfrage besteht.
Man sollte daher Biomasse, die allein der
Energieversorgung dient, sauber trennen von allen anderen
Nutzungssektoren und bei den in Kap.1 angegebenen Daten
ist dies geschehen.
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Grundlage bilden die
verlässlichen Daten zu W(ernb)el,
W(ernb)chem
und Q(ernb),
welche für Deutschland im Jahr 2008 vom BMU
publiziert wurden. Diese werden hier benutzt, um den
Anteil von Q(ernb)
und damit W(ernb)
auch global abzuschätzen. Zur Abschätzung wird von dem
prinzipiell immer gültigen Ansatz ausgegangen4):
 ,
wobei x der
Anteil von Q(ernb)
an W(ernb)
ist und der Nutzungsgrad , mit
dem die Primärenergie in Endenergie gewandelt wird. Für
Deutschland im Jahr 2008 ergaben sich x = 0.28 und = 0.65. Diese Abschätzung ist
plausibel, auch im globalen Kontext, denn:
- Der Beitrag der Solarthermie wird nicht um
Größenordnungen höher sein als der aus der Wandlung
von Solarenergie in elektrische Energie (Fotovoltaik
und Solarkraftwerke). Selbst wenn man von einem 10fach
höheren Beitrag ausgeht, hat dieser Anteil an Q(ernb)
im Jahr 2008 global nur 1.7 · 1011 kWh a-1
betragen. Aus den vorhandenen
Daten
lässt sich ein Anteil von 0.8 · 1011 kWh a-1
errechnen. Davon entfallen allein 70.5% auf die
VRChina.
- Der Beitrag der Wälder zur Biomasse wurde in
Energie2 mit
2 · 1012 kWh a-1 berechnet. Wird
dieser Beitrag als gleich groß zum Grundumsatz von 6
Mrd Menschen angenommen, ergibt sich 3 · 1012
kWh a-1.
Insgesamt folgt aus diesen Plausibilitätsbetrachtungen Q(ernb) 2.5 · 1012 kWh a-1,
während die Formel oben für das Jahr 2008 Q(ernb)
= 2.4 · 1012 kWh a-1 ergibt.
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Die Ergebnisse dieser Abschätzungen
sind in der rechten Abbildung gezeigt und man
vergleiche das Ergebnis mit der obersten Abbildung
in Kap. 1.1.
In beiden Abbildungen bildet die Basis für die
Berechnung der Energiedaten die
Substitutionsmethode, ähnliche Berechnung auf der
Basis der Wirkungsradmethode finden sich in Kap.3.9 ff.
Die Verwendung erneuerbarer Energien wird
dominiert von der Nutzung des Regenwassers
(Wasserkraftwerke=WKW) und der thermischen Nutzung
von Biomasse. Global gesehen spielt die
elektrische Nutzung der Windenergie und Biomasse
noch eine untergeordnete Rolle, noch kleiner ist
die solare Nutzung, die auch Beiträge der Gezeiten
und der Wellen einschließt. Die größten
Steigerungsraten von mehr als 1000% zwischen 2000
und 2020 weist die Nutzung von Biotreibstoffen
auf, obwohl dies bei weitem nicht ausreicht,
um die fossilen Energien im Sektor Verkehr zu
ersetzen. Zum Vergleich sind die äquivalenten
Daten für Deutschland
und die USA
in Extrakapiteln gezeigt.
Demgegenüber sind die globalen Investitionen5)
in erneuerbare Energien (ohne WKW) nicht
gestiegen, sondern seit 2011 praktisch konstant
geblieben (siehe Abbildung rechts und auch hier). Im Jahr 2020 wurden
in China die meisten
Investitionen getätigt (ca. 85 Mrd. USD), aber
China ist auch das Land mit der größten
Einwohnerzahl - daher sagt diese Zahl nicht viel
aus! Normiert auf die jeweiligen Einwohnerzahlen
beliefen sich die jährlichen Investitionen pro
Einwohner:
BRD: 176 USD
USA: 175 USD
China: 94 USD
Also wurde in China nur etwa halb soviel
investiert wie in Deutschland oder den USA.6)
Dass seit 2011 die Investitionen
nicht gestiegen sind, müsste nicht problematisch
sein, wenn im gleichen Zeitraum die Anlagekosten
für die Nutzung erneuerbarer Energien gesunken
wären. Dies ist aber nicht der Fall, diese
Kosten sind im betrachtetem Zeitraum i.W.
konstant geblieben. Im Jahr 2010 betrugen die
Anlagekosten - ohne den thermischen Beitrag -
ca. 0.75 USD/(kWh/a). Unter der Annahme, dass
diese Kosten in den Folgejahren gleich blieben,
lassen sich mithilfe der getätigten
Investitionen die zu erwartenden Beiträge der
erneuerbaren Energien zur globalen
Energieversorgung berechnen 7) mit dem
Ergebnis (siehe Abbildung oben):
Die
Erwartungen entsprachen Jahr für Jahr den
tatsächlichen Beiträgen.
Diese Übereinstimmung ist
ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die
Anlagekosten nur unwesentlich verändert
haben können. Für die Wichtigsten
Energieträger Wind(WKA), Sonne(VPA) und
Biomasse(BMA) lassen sich die Anlagekosten
aus den Investitionen und den relevanten
Primärenergieäquivalenten berechnen (siehe
Abbildung rechts): K(WKA) und K(BMA)
sind praktisch unverändert geblieben, im
Jahr 2020 betrugen sie: K(WKA) =
0.70 bzw. K(BMA) = 0.23
USD/(kWh/a)). Dagegen zeigt K(PVA)
ein anderes Verhalten. Es erreichte in den
Jahren 2007/08 einen maximalen Wert von 12
USD/(kWh/a)) und nahm danach exponentiell ab
bis auf 1.48 USD/(kWh/a)) im Jahre 2020, ist
also immer noch mehr als doppelt so hoch wie
für die beiden anderen
Primärenergieäquivalente.
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
Die zeitliche
Entwicklung des globalen Primärenergieäquivalents erneuerbarer
Energien seit 2000. Die blauen Flächen entsprechen
elektrischer Energie, die roten chemischer
Energie und die grūnen thermischer
Energie. Die gelben Punkte zeigen die erwartete
Entwicklung aufgrund der Investitionen bei
konstanten Anlagekosten.

Globale
Inflationsbereinigte5) Investitionen
in erneuerbare Energien (nach BloombergNEF und REN21). Abkürzungen:
PVA=Fotovoltaik, WKA=Wind, BMA=Biomasse,
ve-St.=ve-Staaten, we-St.=we-Staaten.
Entwicklung der
Kosten für die Primärenergieäquivalente
WKA, PVA und BMA.
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Aber der Beitrag der Fotovoltaik zur globalen
Energieversorgung ist so gering, dass er keinen Einfluss
auf die Gesamtanlagekosten hatte. Und das korreliert mit
der Aufforderung der IEA, die globalen Investitionen nach
dem Jahr 2021 mindestens zu verdreifachen, insbesondere
bei der Versorgung mit elektrischer Energie W(ernb)el.
In einem Sonderkapitel ist gezeigt, welchen Anteil die elektrische
Energie Wel
insgesamt (aus fossilen und erneuerbaren Quellen) an der
Deckung des Primärenergiebedarfs hatte. Denn diese
Energieform kann man durchaus als Maßstab dafür nehmen,
wie weit fortgeschritten die Einführung erneuerbarer
Energien ist. Insgesamt ist die Nutzung erneuerbarer
Energien nicht viel stärker angestiegen, als der globale Primärenergiebedarf
selbst. Erstere machen daher immer noch weniger als 15%
des letzteren aus. Mehr dazu ist in dem Kap. 9.1 und in Kap.
3.5 zu finden, wo die nutzbare Energie des Wassers
im Detail behandelt wird.
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Die Problematik der
erneuerbaren Energien
Wie oben dargestellt, sind die Wasserkraft und die
Biomasse die wesentlichen Ressourcen für erneuerbare
Energien. Das ist nicht überraschend: Beide Ressourcen
stehen eigentlich immer zur Verfügung, denn sie lassen
sich speichern. Dass sie trotzdem nicht die Hauptlast der
globalen Energieversorgung tragen, liegt an 2
fundamentalen Gegebenheiten, sprich Nachteilen:
- Der begrenzten Menge von Niederschlägen und der
Geografie der Erde mit ihren begrenzten Landflächen
und Oberflächenerhebungen.
In einigen Ländern, und zu diesen gehört auch Deutschland,
sind diese Nachteile besonders gravierend. In diesen
Ländern spielen Wasserkraft und/oder Biomasse nur eine
untergeordnete Rolle, die wesentlichen Beiträge zu den
erneuerbaren Energie liefern die Windkraft und die
Fotovoltaik. Allerdings sind beide mit weiteren
gravierenden Nachteilen behaftet:
- Ihre Verfügbarkeit verändert sich zeitlich und es
existieren bisher keine akzeptablen
Speichermöglichkeiten, um diese Energiefluktuationen
auszugleichen.
Das Phänomen der Energiefluktuationen ist in energie2 und auch
hier diskutiert worden,
es hat z.B. die Konsequenz, dass die installierte Leistung
von Windkraftanlagen(WKA) und Fotovoltaikanlagen(PVA) sehr
viel größer sein muss, als der tatsächliche Bedarf, der
mit beiden gedeckt werden soll, i.e. PEB > PEA.
. Wie stark die Energiefluktuationen in Deutschland sind
und wie sie die Auslastung von Anlagen bestimmen, soll in
einem Extrakapitel
untersucht werden. Als Ergebnis dieser Untersuchung stellt
sich dann die Frage:
Wie kann jemand
auf die wahnwitzige Idee kommen,
die Energieversorgung einer Industrienation auf
eine Basis zu stellen, welche immer nur eine
halbjährige Anlagenauslastung von weniger als
15% haben wird?
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Und trotzdem behauptet Deutschland von sich, ein
Vorbild für die gesamte Welt zu sein und den gangbaren
Weg in eine " grüne
Zukunft" zu zeigen. Ob dieser Weg tatsächlich
gangbar ist, wird in einem Sonderkapitel
diskutiert werden. Sicher ist aber, dass in anderen
Ländern ganz andere Bedingungen herrschen (besonders
bezüglich der Wasserkraft) und dies in Vorschlägen
berücksichtigt werden muss, den globalen Energiebedarf
allein aus erneuerbaren Quellen zu decken. Kritiker
(siehe hier und hier)
halten derartige Vorschläge für rein akademisch und
nicht realisierbar. Und zu dieser Schlussfolgerung
gelangt man auch, wenn man den deutschen Weg
untersucht.
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1) EIA
2019 enthält keine Informationen mehr zur Wandlung
erneuerbarer Energien in elektrische Energie und deren
Nutzung. Es werden nur noch Kapazitäten angegeben und
diese Informationen sind vollkommen nutzlos, wenn nicht
auch die relevanten Kapazitätsfaktoren veröffentlicht
werden.
2) Vermutlich enthält dieser Anteil auch
Beiträge zur Ernährung (Mensch und Nutztiere?), welche in
meinen Analysen nicht berücksichtigt
werden. Für 2009 wurde dieser Anteil auf 10% reduziert,
aber dies ist immer noch so hoch, dass eine detaillierte
Analyse der Beiträge aus erneuerbaren Energien zur
Versorgung mit Primärenergie notwendig erscheint. Nur
einfach den Publikationen der Internationalen
Energieagentur (IEA) zu vertrauen, führt zu falschen
Schlüssen, und die IEA ist bekannt
dafür, falsche Informationen zu veröffentlichen.
3) Der menschliche Grundumsatz beträgt 1200
kcal d-1, in der hier verwendeten
Maßeinheit also 508 kWh a-1.
4) Diese Umrechnung ist notwendig, weil die von
erneuerbaren Energien bereit gestellte elektrische Energie
W(ernb)el
eine Form der Endenergie sind, die fossilen Energieträger
aber Primärenergie darstellen. Wie viel Endenergie sich
aus der Primärenergie wandeln lässt, wird vom Nutzungsgrad
bestimmt.
5) Diese Investitionen sind bezogen auf
den Wert des USD im Jahr 2021, d.h. sie sind
inflationsbereinigt.
6) Diese notwendige Normierung
auf die Einwohnerzahl relativiert viele der Aussagen
in unseren Medien, siehe z.B. hier oder hier.
7) Diese Berechnung setzt voraus, dass
die Lebensdauer der Anlagen größer ist als der
Investitionszeitraum.
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