Die Abhängigkeit der
Nachhaltigkeit von der Entropieproduktion ist auch
deshalb so umstritten, weil nachhaltiges Handeln meistens
dahingehend interpretiert wird, dass durch dieses Handeln
kein Wohlstandsverlust eintritt. Denn das Ziel
wirtschaftlichen Handelns ist die Wohlstandsoptimierung im
weitesten Sinne, also ein möglichst angenehmes Leben mit
hohem Standard, ein Begriff, der sich physikalisch
nicht quantifizieren lässt. Eine Größe, welche "angenehmes
Leben" wohl am besten
charakterisiert, ist das Bruttoinlandprodukt BIP
pro Einwohner, also die Geldmenge, die jedem Einwohner
aufgrund seines wirtschaftlichen Handelns im Mittel zusteht.
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Wegen der damit
einhergehenden Entropieproduktion entsteht ein Bedarf nach
Primärenergie PEB pro Einwohner. Die Relation
zwischen BIP und PEB definiert die Energieeffizienz e_e:
d.h., je höher die Energieeffizienz, um so geringer ist der
Primärenergiebedarf, um einen vorgegebenen Wohlstand zu
erreichen. Also setzt nachhaltiges Handeln immer voraus,
dass die Energieeffizienz optimiert wird. Und in der Tat,
die Energieeffizienz
der Weltwirtschaft nahm seit 1980 zu, und zwar hauptsächlich
durch eine Verlagerung von Prozessen aus dem Industrie- in
den Dienstleistungssektor. Nach der Optimierung sind
weitergehende Überlegungen nach einer noch stärkeren und
schnelleren Zunahme der Energieeffizienz reine Spekulation,
von den Daten werden sie nicht unterstützt.
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Der Anspruch
auf stetig wachsenden Wohlstand für eine stetig wachsende
Weltbevölkerung verursacht nach Gleichung (1), trotz der
Zunahme von e_e, einen stetig wachsenden
Primärenergiebedarf. Mithilfe der Extrapolation der Daten
seit 1980 wurde in Energie2 folgende
Prognose für die Mitte des 21. Jahrhunderts berechnet:
Größe
der Weltbevölkerung: N = 1 · 1010
Menschen
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Globaler
Primärenergiebedarf PEB = 2 · 1014
kWh a-1
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Die zum Erreichen des Wohlstands erforderliche Entropie
entsteht bei der Wandlung von PEB in eine
niederwertigere Energieform. Beim Wandlungsprozess werden im
Wesentlichen 2 Teilprozesse beobachtet:
- Die Emission von Abwärme, welche der direkte Träger
der Entropie ist.
- Die Emission von gasförmigen Abfallstoffen, welche in
die Erdatmosphäre diffundieren und damit Entropie
erzeugen.
Dieses sind direkte Beiträge zur menschlichen
Entropieproduktion. Darüber hinaus gibt es aber auch
indirekte Beiträge, welche durch eine Veränderung der
Prozessumgebung, also der Biosphäre1) -
insbesondere der Erdatmosphäre und Erdoberfläche -
entstehen.
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Direkte Entropieproduktion durch Abwärme
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Als Maß der Entropiemenge,
die mit der Abwärme von Energiewandlungsanlagen abgeführt
wird, kann der Wirkungsgrad der
Wandlung herangezogen werden. Für existieren maximale Werte, die sich aus
den physikalischen Grundlagen der Wandlung ergeben. Zwar
werden diese Werte in der Praxis niemals erreicht, sie
lassen sich dennoch als Richtwerte für den Umfang des
Eingriffs in die natürliche Entropieproduktion nutzen:
S2,a
= (1 - ) PEB/T0 ,
T0
= 288K ist die mittlere Erdtemperatur. |
(2)
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Die Gleichung (2) gilt nur für die fossilen Energien, für
die wichtigsten der erneuerbaren Energien (Fotovoltaik und
Windkraft) müssen diese zunächst von ihren Eingangsenergien
Wi in die entsprechenden
Primärenergieäquivalente PEB umgewandelt werden:
PEB = Wi / i
.
Außerdem geschieht der Wandlungprozess für Fotovoltaik und
Windkraft nicht lokal und zeitlich fluktuierend, diese
erneuerbaren Energien müssen also über lange Strecken
transportiert und lange Zeiten gespeichert werden. Für die
Speicherung und den Transport wird ein mittlerer Wirkungsgrad
von Sp
= 0.4 angenommen, so dass für den Gesamtwirkungsgrad gilt
Für die wichtigsten Wandlungsprozesse in elektrische Energie
als Endenergie sind die physikalischen Werte
von und der Umfang x = S2,a/Shum des
Eingriffs in der Tabelle unten angegeben. Zur Berechnung
werden die prognostizierten Daten für die Mitte des 21.
Jahrhunderts verwendet, welche oben angegeben sind:
Bemerkungen zu der
Tabelle rechts:
GuD-Kraftwerk:
i
= Carnot'scher Wirkungsgrad für
T = 1000 oC (1273 K).
Wasserkraft:
i
= maximaler Wirkungsgrad von Wasserturbinen.
Windkraft:
i
= aerodynamischer Grenzwert (Betzlimit).
Fotovoltaik:
i
= maximaler Wirkungsgrad aufgrund der Bandlücke in
Halbleitern.
Biomasse:
i
= Exergiewirkungsgrad, vermindert wegen notwendiger
Wasserverdampfung (siehe Extrakapitel)
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 |
x
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konventionelle
Energien
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GuD-Kraftwerk
|
0.77
|
5.3%
|
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erneuerbare
Energien
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Wasserkraft2)
|
0.85
|
4.1%
|
Windkraft
|
0.24
|
73%
|
Fotovoltaik
|
0.12
|
170%
|
Biomasse2)
|
0.17
|
113%
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Physikalischer
Wirkungsgrad und relativer Eingriff x
in die Umwelt für verschiedene
Wandlungsprozesse von
Primärenergie in elektrische Energie.
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Das wichtige Ergebnis dieser Gegenüberstellung ist, dass
erneuerbare Energie eben nicht unsere Umwelt schonen. Dass
ihr Einfluss bisher unbemerkt blieb, liegt an der Vorrangstellung
der Wasserkraft und daran, dass alle anderen Prozesse
z.Z. noch keine große Rolle spielen. Erst bei der
energetischen Nutzung der Biomasse wird der Öffentlichkeit langsam
bewusst, mit welchen Problemen sie sich konfrontiert
sieht. Und wie bereits erwähnt: Die in der Tabelle
angegebenen x-Werte
sind wahrscheinlich zu optimistisch, in der Praxis können
diese Werte um mehr als einen Faktor 2 überschritten werden.
Die Forderung zur Nachhaltigkeit bedeutet daher
insbesondere, dass die Wirkungsgrade sowohl der
Wandlungsprozesse wie auch der Speicherung und des
Transports ihrem physikalischen Limit so nah wie möglich
kommen. Aber diese Forderung ist nicht revolutionär, an
ihrer Realisierung wird seit langem gearbeitet, denn das
entspricht dem menschlichen Streben nach
Wohlstandsoptimierung. Und es ist nicht zu erwarten, dass
eine technische Revolution plötzlich und unerwartet aus dem
Nichts heraus geschieht.
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Direkte Entropieproduktion durch gasförmige
Abfallstoffe
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Der Verbrennungsprozess von
fossilen Brennstoffen produziert gasförmige Abfallstoffe,
wie z.B. das Kohlendioxid CO2 oder die Stickoxide
NOx. Zur Mitte des 21. Jahrhunderts werden
fossile Brennstoffe größtenteils abgebaut sein, mit Ausnahme
der Kohle, deren Verbrennung wir beispielhaft behandeln
wollen.
Um den gesamten Primärenergiebedarf zur Mitte des 21.
Jahrhunderts mithilfe der Kohle zu decken, muss der
Kohleabbau zu dieser Zeit eine Größe von 33 · 109
t a-1 erreichen, das entspricht einer Menge von n
= 2.8 · 1015 mol a-1 Kohle. Wird diese
Kohle verbrannt, entsteht eine gleich große Menge an CO2,
die anschließend in die Erdatmosphäre diffundiert, bis die
CO2 Konzentration einen angenommenen Wert von 500
ppm erreicht (zur Zeit beträgt die CO2
Konzentration etwa 350 ppm, d.h. ich nehme an, dass
sich die Konzentration bis dahin weiter erhöht, weil die CCS-Technologie
auch in Zukunft keine Rolle spielen wird).
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Mit der Diffusion verbunden ist
Entropieproduktion, die sich nach der Formel für ideale Gase
berechnen lässt:
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(3)
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wobei R = 2.31 · 10-6 kWh K-1 mol-1
die ideale Gaskonstante ist. Das Verhältnis von Anfangs- zu
Endvolumen ergibt sich für die angenommenen Konzentrationen
zu V/V 2000 und man
erhält:
S2,b = 6.6 · 1010
kWh a-1 K-1 oder x = 2.2%.
Verglichen mit den x-Werten in der Tabelle oben ist
dies der kleinste Wert, also ist der mit der Diffusion
verbundene Eingriff in die Umwelt zwar nicht
vernachlässigbar, aber auch nicht Besorgnis erregend.
Viel gravierender ist die Veränderung der Erdtemperatur
aufgrund der Konzentrationsveränderungen in der
Erdatmosphäre.
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Indirekte
Entropieproduktion durch gasförmige Abfallstoffe |
Abfallstoffe in der Erdatmosphäre haben zwar
nur einen geringen Einfluss auf die antropogene
Entropieproduktion, aber sie verändern das
Abstrahlungsverhalten der Erde und damit deren Fähigkeit,
die produzierte Entropie abzustrahlen. Der Effekt auf Smax
lässt sich mithilfe der Definitionsgleichung
Smax I/T0
leicht berechnen:
S2,c = Smax
= - T0/ T0 Smax
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(4)
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Nehmen wir an, dass die mittlere Erdtemperatur bis zur Mitte
des 21. Jahrhunderts um T0 = 1 K
angestiegen ist, so bedeutet dies ein Abstrahlungsverlust
von
S2,c = - 1.1 · 10 13 kWh
a -1 K -1 oder x  - 350%.
Mit anderen Worten: Die Nutzung der fossil biogenen
Brennstoffe erhöht auf der einen Seite die
Entropieproduktion (siehe Tabelle oben), verringert aber
durch die CO2 Emissionen gleichzeitig die
Fähigkeit der Erde zur Entropieabstrahlung, so dass der
augenblickliche Zustand der Biosphäre instabil werden muss
und sich ein neuer Zustand einstellen wird. Niemand kann
voraussagen, wie dieser Zustand aussehen wird und ob er
weiterhin menschliches Leben ermöglicht.
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Dieser Fall tritt natürlich nur dann ein, wenn gasförmige
Abfallstoffe in solchen Mengen in die Erdatmosphäre gelangen
wie angenommen. Ziel nachhaltigen Handelns muss sein,
Emissionen in diesem Umfang zu vermeiden, und dies ist wohl
auch kein Streitthema. Der Streit entsteht über den besten
Weg, auf dem sich dieses Ziel erreichen lässt. Der Weg über
erneuerbare Energie ist, betrachtet man die x-Werte
in der Tabelle oben, sehr fragwürdig, ganz abgesehen von den
vielen anderen Hindernissen, die sich in den Weg stellen,
und die in Energie2
und Energie3
erläutert wurden. Die Nutzung der Kernenergie ist
emissionsfrei, aber in Deutschland aufgrund der
Mehrheitsmeinung nicht gangbar. Wo also sieht diese Mehrheit
einen gangbaren Weg? Zu vermuten ist, dass sie der Natur
vertraut und damit den Weg wählt, der am Ende des Kap. 5.1 skizziert wurde.
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1)
Derartige Veränderungen ergeben sich z.B. aus der Umwidmung
von großen Regenwaldgebieten zu Energieplantagen, dem
Abschmelzen der Eisflächen oder der Belegung von großen
Landflächen mit Fotovoltaikmodulen.
2) Mit Sp
= 1, also unter der Annahme, dass diese Energien nicht
gespeichert und transportiert werden müssen.
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