Die Entwicklung des Primärenergiebedarfs in Deutschland

In diesem Abschnitt wird die Entwicklung der deutschen Energieversorgung seit 1990 verfolgt. Besondere Bedeutung liegt dabei auf der Versorgung mit erneuerbaren Energien (ernb) und aus welchen Quellen diese stammte. Grundlage hierfür ist die Substitutionsmethode, mit deren Hilfe die Endenergie (elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen)  in ihr entsprechendes Primäräquivalent (PEB) umgerechnet wird. Der dafür benötigte Nutzungsgrad wurde für jedes Jahr neu berechnet.

Die benötigten Daten stammen in Wesentlichen aus deutschen Quellen ( BMU , BMWi , AGEB). Diese Daten unterscheiden sich, wie schon öfters erwähnt, von denen aus internationalen Quellen1). Insofern sollten die publizierten Daten mit einer relativen Unsicherheit von etwa 10% behaftet sein. Interessant sind daher auch nicht so sehr die absoluten Zahlen, sondern ob diese Zahlen langjährige Trends erkennen lassen. Es folgen die Tabelle und die entsprechenden grafischen Darstellungen.





Jahr
PEB
(PWh/a)
ernb
(PWh/a)

(%)
1990
4.14
0.053
85
1991
4.05
0.053
74
1992
3.97
0.056
77
1993
3.97
0.062
66
1994
3.94
0.068
61
1995
3.96
0.074
59
1886
4.10
0.073
63
1997
4.06
0.093
51
1998
4.03
0.102
51
1999
3.98
0.109
54
2000
3.99
0.113
66
2001
4.06
0.118
75
2002
4.00
0.124
80
2003
4.02
0.154
98
2004
4.01
0.178
82
2005
3.99
0.209
70
2006
4.08
0.255
62
2007
3.90
0.303
58
2008
3.94
0.310
54
2009
3.70
0.326
53
2010
3.88
0.384
51
2011
3.71
0.398
55
2012
3.67
0.378
73
2013
3.78
0.409
67
2014
3.60
0.413
67
2015
3.62
0.449
69
2016
3.67
0.463
67
2017
3.69
0.485
73
2018
3.52
0.492
76
2019
3.51
0.520
77
2020
3.20
0.536
77
2021
3.29
0.492
77
2022
3.25
0.460
75
Die Entwicklung des deutschen PEBs und welchen Anteil erneuerbare Energien daran hatten. Die letzte Spalte zeigt den Nutzungsgrad der Wandlung von Primär- in Endenergie.


Der deutsche PEB seit 1990 und aus welchen Quellen er gedeckt wurde. Die gestrichelten Linien ab 2001 sind lineare Projektionen auf das Ziel des deutschen Energiekonzepts für 2050 (PEB = schwarz, ernb = grau).



Bis zum Jahr 2001 - also dem Jahr des Beginns der deutschen Energiewende - blieb der deutsche PEB fast konstant bei ca. 4 PWh/a , seitdem nahm er ab, und zwar besonders stark in den Jahren der Energiekrise (2009) und der Coronakrise (2020). Von diesen Extremsituationen abgesehen, wurde die Abnahme i.W. verursacht durch den Rückgang der Kohlenutzung und das Abschalten KKWs. Die letzten 3 deutschen KKWs wurden am 15.4.2023 endgültig vom Stromnetz getrennt, die Kohlenutzung soll spätestens 2038 beendet sein.

Im gleichen Zeitraum nahm die Nutzung erneuerbarer Energie stetig zu, und zwar so, dass das Ziel des deutschen Energiekonzepts für 2050 (ernb =  1 PWh/a) wahrscheinlich erreicht wird. Dagegen wird das Ziel für den Gesamtbedarf (PEB = 2 PWh/a) wohl verfehlt: Dessen Abnahme fiel bisher zu gering aus. Auf dieses Ergebnis komme ich später zurück.

Ob diese Ziele des deutschen Energiekonzepts überhaupt erreichbar sind, hängt aber noch von ganz anderen Faktoren ab. Denn in diesem Zeitraum sind auch die deutschen Strompreise gestiegen, und zwar so stark, dass sie 2020 den höchsten Stand aller Industrieländer erreicht hatten. Für diese Steigerung der Energiekosten gibt es Gründe: Sie basieren i.W. auf den physikalischen Eigenschaften erneuerbarer Energien. Man kann daher erwarten, dass die Kosten auch nach 2020 weiter steigen werden, bis sie von der deutschen Bevölkerung als untragbar empfunden werden. Minister Altmaier vom BMWi hatte 2019 daher angekündigt, weitere Kostensteigerungen aus Steuermitteln bezahlen zu wollen. Und auch der jetzige Minister Habeck tritt für Kostenentlastungen ein. Aber ändert dies etwas an der Situation? Die Kosten wird die deutschen Bevölkerung so oder so zahlen - wenn nicht direkt, dann indirekt. Und das gilt auch für den Abbau von Arbeitsplätzen, den der BDI aufgrund der Energieverteuerung vorhersagt.

Welche erneuerbaren Energien hat Deutschland seit 1990 genutzt? Die Hauptquelle erneuerbarer Energien war schon immer die Biomasse (siehe Abbildung rechts). Darin enthalten sind auch die Beiträge aus organischen Abfällen. Bis 2001 stellten sie eine Beitrag von ca. 55%, seitdem nimmt dieser sehr langsam ab.

Viel stärker abgenommen seit 1990 hat der Beitrag der Wasserkraftwerke (Hydro), der von ehemals 50% auf nunmehr <5% gefallen ist. Das sind die Folgen der geografischen und meteorologischen Lage Deutschlands. Diese Lage ist verantwortlich für die Tatsache, dass die Beiträge von Windkraftanlagen (WKA) und Fotovoltaikanlagen (PVA), trotz staatlich subventionierten Ausbaus, nur so wenig zugenommen haben. Am besten wird dies ersichtlich aus den Kapazitätsfaktoren , welche das Verhältnis von genutzter Leistung zu installierter Leistung einer bestimmten Anlage (bzw. Quelle) angeben:

Die Beiträge erneuerbarer Energien in Deutschland seit 1990. Weiter unten wird erläutert, in welchen Energieformen erneuerbare Energien gewandelt wurden. Es ist:
Biom=Biomasse , Wind=WKA , PV=PVA , Hydro=Wasserkraft , Solar=Solarthermie, Geo=Geothermie.

Wandlungstechnologie
Biomasse (BMA)
0.55
Wasserkraft (WKW)
0.38
Windkraft (WKA)
0.24
Fotovoltaik (PVA)
0.11
Die Kapazitätsfaktoren  der erneuerbaren Energien, die in Deutschland im Jahr 2020 für die Wandlung in andere Energieformen  erreicht wurden.
Diese Werte habe ich den Energiedaten des BMWi (Tabelle 20) entnommen. Sie verändern sich nur wenig von Jahr zu Jahr, weil sie i.W. durch die meteorologischen Gegebenheiten in Deutschland bestimmt sind - der postulierte Klimawandel spielt dabei keine wesentliche Rolle.
Der Gründe für dieses Verhalten der Kapazitätsfaktoren wurden in Energie2 behandelt, dort wurde aber auch darauf hingewiesen, dass das Nutzungspotenzial der Fotovoltaik in anderen Regionen der Welt deutlich größer ist (siehe auch Kap.3.3).

Bis ins Jahr 2021 stellte die Biomasse den größten Anteil der erneuerbaren Energien. An ihrer Wandlung in andere Energieformen hat sich gegenüber 2020 nicht viel verändert - es gilt weiterhin, relativ zu allen erneuerbaren Energien:
Biomasse
(elektrisch):
10%

(thermisch):
35%

(chemisch):
7%
Der Beitrag der Biomasse zur deutschen Elektrizitätsversorgung hat weiter abgenommen, dafür hat der Beitrag aus Windenergie zugenommen - eigentlich begrüßenswert, wenn nicht ersterer grundlastfähig wäre und letzterer nicht! Der Beitrag der Biomasse zur Wärmeversorgung (vermutlich in der Form von Holzpellets) steigt langsam an - ein Beispiel für die Vergeudung erneuerbarer, aber speicherfähiger Energie. Und der Beitrag zur Kraftstoffversorgung (chemisch) ist mehr als 4mal geringer. Deutschland bleibt daher weiterhin extrem abhängig von Rohölimporten.

Die anderen Beiträge zum PEB sind sehr viel schwächer, insbesondere der der Fotovoltaik ist mit 14.2% weiterhin extrem gering und rechtfertigt nicht die hohen Subventionen, die in diese Wandlungstechnologie fließen. Ihr, von Subventionen ganz unabhängiger Nachteil beruht auf dem sehr kleinen Kapazitätsfaktor = 0.11, der in Deutschland erreicht wird (siehe Tabelle oben).

Meine Abneigung gegen eine zu starke Biomassenutzung, trotz des relativ großen Kapazitätsfaktors  (siehe Tabelle oben), hat folgende Gründe: Er schädigt die Umwelt und bewirkt eine Abnahme der Nahrungsmittelproduktion (siehe hierzu auch die Berichte des IMF und des GJEP). Die sich daraus ergebende Ernährungskrise wird in einem Extrakapitel behandelt. Politisch ist das aber offensichtlich so gewollt, denn es erfüllt mehrere Zwecke:
  • Der Anteil erneuerbarer Energien wird, für alle deutlich, erhöht.
  • Die Notwendigkeit, neue Infrastrukturen zum Energietransport und zur Energiespeicherung aufzubauen, ist minimal klein.
  • Der Landwirtschaft werden neue Einkommensmöglichkeiten erschlossen.

Aber mit Biomasse allein werden sich die Ziele der deutschen Energiewende für 2050 nicht erreichen lassen. Die Zielvorgabe verlangt, dass in diesem Jahr wenigstens die Hälfte des deutschen PEB aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden muss, i.e. R = ernb/PEB > 0.5 . Die Entwicklung des R-Verhältnisses in den letzten 31 Jahren seit 1990 ist in der Abbildung rechts gezeigt. Mit der Verabschiedung des EEG  durch den Bundestag im Jahr 2000 (Energiewende) stieg dieses Verhältnis bemerkenswert an, aber die Steigerung ist seitdem praktisch unverändert geblieben. Die lineare Regression an die Daten seit 2001 ergibt, dass das R-Verhältnis 2050 wahrscheinlich nur einen Wert von R = 0.37 ±  0.03    erreichen wird. Wie oben erwähnt, liegt dies nicht daran, dass die Zunahme von ernb zu gering ist, sondern die Abnahme von PEB ist zu gering. Das bedeutet, die Maßnahmen zur Energieeinsparung2) müssten erheblich intensiviert werden.
Die Entwicklung des R-Verhältnisses (R = ernb/PEB) sei 1990.  Die schwarze Gerade ab 2001 zeigt die lineare Regression der Daten bis 2050 samt doppelter Standardabweichung (graue Fläche).

Dann schließt sich sofort die Frage an, ob für eine Industrienation mit hohem Lebensstandard, wie es Deutschland (noch) ist, diese Zielvorgabe überhaupt erreichbar ist, oder ob sie nicht einen Rückgang des Lebensstandards impliziert. Dies ist einen so entscheidende Frage, dass ich darüber ein weiteres Manuskript verfasst habe: " Die Zukunft unseres Wohlstands".


1) Siehe hierzu auch die Fußnote in Kap. 3.1.2.
2) Alternativ könnte man auch von "Steigerung der Energieeffizienz" reden, aber das vernebelt nur, um was es eigentlich geht.