Der Anteil elektrischer Energie am Primärenergiebedarf

Elektrische Energie spielt zwar schon heute bei der Energieversorgung eine wichtige Rolle, trotzdem ist ihre Bedeutung, gemessen am totalen Primärenergiebedarf, noch relativ gering. Daher ist es auch gerechtfertigt, den Anteil an elektrischer Energie, der aus erneuerbaren Energien gewandelt wird, z. Z. noch mithilfe der Substitutionsmethode zu berechnen und damit praktisch "aufzuwerten". Diese Situation wird sich erst dann wandeln, wenn erneuerbare Energien die Hauptlast der Energieversorgung übernehmen werden und damit die elektrische Energie ihre eindeutige Stellung als Endenergie verliert und mehr zu einer Form der Sekundärenergie wird. Denn sie wird dann auch einen großen Teil der chemischen bzw. thermischen Energie ersetzen müssen. 


Die erneuerbaren Energien in Deutschland (im Wesentlichen Windkraftanlagen(WKA) und Fotovoltaikanlagen(PVA)) sind stark fluktuierend, ihr Beitrag zur Energieversorgung ändert sich stündlich. Trotzdem, über das Jahr gemittelt, hat ihr Beitrag ständig zugenommen. In der Abbildung rechts sind die publizierten Daten des  BMWK und des Statistik-Portals  benutzt worden um zu zeigen, wie er sich in Deutschland seit 1990 verändert und 2022 einen Wert von ca. 40% erreicht hat. Gleichzeitig zeigt diese Abbildung auch, dass dieser steigende Beitrag zu immer größeren Stromexporten in unsere Nachbarländer geführt hat. Im Jahr 2019 ergaben sich folgende Export-Import Überschüsse:

Anteil erneuerbarer Energien an der Nutzung elektrischer Energie in Deutschland (gestrichelt)und 4facher Saldo (Export-Import) elektrischer Energie (Punkte),

AT
PL
CH
NL
LU
CZ
DK
SE
FR
12.6
10.0
7.9
5.7
4.5
3.9
3.4
-0.7
-12.4
Das Stromsaldo (Export-Import) Deutschlands im Jahr 2019 mit seinen Nachbarländern (in TWh/a).

Also war in diesem Jahr Österreich der Hauptabnehmer des deutschen Überschussstroms, während der meiste Strom aus Frankreich importiert wurde - und dabei handelte es sich sicherlich nicht um "grünen" Strom. Auch Deutschland hat sicherlich nicht immer "grünen" Strom exportiert: Der Überschuss beruht i.W. auf der Tatsache, dass fossile Kraftwerke nicht beliebig abgeschaltet werden (können), wenn der erneuerbare Strom zufällig in das Netz drängt. Das führt regelmäßig dazu, dass das Stromangebot die Stromnachfrage übersteigt, was zu minimalen Preisen an der Strombörse und damit zu überhöhten Preisen für deutsche Privathaushalte führt (siehe unten) - eine Folge des Austausches freier Markt- durch staatliche Regelmechanismen. Ganz unglaublich wird die Situation, wenn der Strom überhaupt keinen Abnehmer mehr findet und WKAs und PVAs einfach "abgeregelt" (also abgeschaltet) werden müssen. Dieser nur noch "virtuelle Strom" wird aber den Anlagebetreibern von den Privathaushalten weiterhin mithilfe des deutschen Wetterdiensts bezahlt (Eisman).
 
Man muss davon ausgehen, dass in Zukunft das deutsche Wirtschaftssystem fast ausschließlich auf der Nutzung elektrischer Energie aufgebaut sein wird. Wie weit wir von diesem Zeitpunkt noch entfernt sind, ergibt sich aus dem direkten Vergleich zwischen dem Bedarf nach elektrischer Energie (ohne diesen "aufzuwerten") und dem Primärenergiebedarf, wie er in der Abbildung rechts für die Zeit nach dem Jahr 1980 gezeigt ist. Die Daten für Deutschland, die USA und die Welt insgesamt sind den Zusammenstellungen der EIA entnommen. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede zu den Daten (gestrichelt in der Abbildung rechts), welche vom BMWK (siehe Tab. 21) publiziert wurden. Diese Tabelle ist nicht eindeutig:
  • Entweder benutzt man die Zeile 23 ("Aufkommen" = Endenergie), welche auch den Stromimport beinhaltet und i.A. vom BMWK für statistische Analysen benutzt wird.
  • Oder man benutzt Zeile 33 ("Verwendung" = Nutzenergie), welche mit den Daten der EIA übereinstimmt1). Diese halte ich für die maßgebliche Information.


Das Bedarfsverhältnis von elektrischer Energie zur Primärenergie in Deutschland, den USA und weltweit. Für Deutschland unterscheiden sich die von der EIA publizierten Daten (durchgezogene Kurven) von denen, welche das BMWK  publiziert hat (gestrichelte Kurve).

Zwischen Nutz- und Endenergie bestand im Jahr 2015 eine Differenz von fast 30%, die vom BMWK mit Stromexporten und Verlusten (Eigenverbrauch und Pumpstromverbrauch) erklärt werden. Dass beide von etwa gleicher Größenordnung sein sollen, erschließt sich mir nicht, zumal die BRD praktisch keine Pumpspeicher besitzt. Eher vermute ich, dass sich dahinter auch die Beiträge aufgrund des "virtuellen Stroms" verbergen (siehe oben).2)

 Es ist aber zu hoffen, dass der Vergleich zwischen verschiedenen Ländern dann ein korrektes Ergebnis liefert, wenn die Daten aus derselben Quelle (EIA) stammen und dieselbe Methodik benutzt wurde. Demnach hat der Anteil der elektrischen Energie am PEB sowohl weltweit wie auch in den USA und der BRD langsam zugenommen. Setzt sich diese Entwicklung kontinuierlich fort, dann sollte auch im Jahr 2050 der Anteil der elektrischen Energie immer noch bei unter 20% des PEB liegen und  dies sollte im Rahmen einer stetigen Wirtschaftsentwicklung ohne allzu großen Strukturwandel möglich sein. Erwünscht ist allerdings, dass sich bereits nach 2020 dieser Anteil in der BRD vergrößern wird. Einmal weil die Versorgung mit Primärenergie aus den fossilen Energieträgern zurückgeht (Kohleausstieg), oder weil es tatsächlich gelingt, eine Energieversorgung hauptsächlich aus erneuerbaren Energien aufzubauen, wie es im deutschen Energiekonzept vorgeschlagen wird.

Werden die Vorschläge diese Konzepts verwirklicht, wird der deutsche Primärenergiebedarf im Jahr 2050 zu fast 50% mithilfe der elektrischen Energie gedeckt, die zum wesentlichen Teil aus erneuerbaren Quellen stammt. Die Daten in den 20 Jahren zwischen 2001 und 2022 widersprechen aber dieser Zielvorgabe: Wenn mit statistischen Methoden analysiert, ergeben sie nur einen Anteil von 37±3% aus erneuerbaren Quellen. Und auch dieses reduzierte Ziel ist nur mithilfe eines radikalen Strukturwandels der Energieversorgung zu erreichen, und das wird für deutsche Energieabnehmer, besonders für die Privathaushalte, sehr teuer (siehe z. B. das BEE Szenarium). Um wie viel, da unterscheiden sich die Aussagen der "Experten", und daher sollte man sich einfach die Daten ansehen. In der Abbildung auf der rechten Seite sind die Strompreise verglichen, welche deutsche und USamerikanische3) Privathaushalte von 1991 bis 2019/22  jährlich zu zahlen hatten  (siehe auch hier und hier). Für Privathaushalte in der BRD ist die elektrische Energie mehr als doppelt so teuer als in den USA, blieb bis zum Jahr 2000 aber praktisch konstant. Erst danach hat der deutsche Strompreis dramatisch zugenommen, also zu der Zeit, als das EEG 2000 in Kraft trat und Energie aus erneuerbaren Quellen subventioniert wurde.


Die Entwicklung der Strompreise für private Haushalten in Deutschland und den USA. Nicht berücksichtigt ist die Inflationsrate. Die Kurven sind lineare Fits an die Daten, welche für Zeiten nach 2000 der erwarteten Zunahme der Energiepreise entsprechen.

Offensichtlich setzte der Anstieg der deutschen Strompreise erst nach der Verabschiedung des EEG durch den Bundestag im Jahr 2000 ein.

Vergleicht man die Entwicklung des deutschen Strompreises mit dem Anteil der elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen (siehe oberste Abbildung), so fällt die deutliche Korrelation zwischen beiden auf: Seitdem letzterer stark zugenommen hat, ist auch der Strompreis stark gestiegen. Und man sollte derartige Übereinstimmungen nicht mit Floskeln, wie "zufällig" oder "irrelevant" abtun, denn sie sind auch der wesentliche Beweis4) dafür, dass die Zunahme des CO2-Gehalts der Erdatmosphäre für die Erhöhung der mittleren Temperatur der Erdatmosphäre verantwortlich ist.

Betrachtet man die Abbildung oben rechts, dann hat sich in 20 Jahren der deutsche Strompreis mehr als verdoppelt, während der Börsenpreis für elektrische Energie im Wesentlichen konstant geblieben ist. Extrapoliert man den Strompreis für Privatabnehmer bis in das Jahr 2050 (dem Zieljahr des Energiekonzepts), so würde dies eine Zunahme um ca. 340% bedeuten. Vermutlich wird es dazu nicht kommen, denn die Mehrheit der Wähler wird der Regierung auf diesem Weg nicht folgen. Es muss also etwas geschehen, um diesen Aufwärtstrend der Strompreise zu stoppen. Ende 2015 wurde von der Bundesregierung daher beschlossen, bei Großanlagen die bisherige Förderung mithilfe von garantierten Subventionen durch einen Ausschreibungsmechanismus zu ersetzen - ein erster Schritt hin zu einem freieren Energiemarkt.

Und dies hat auch tatsächlich zu einem, wenn auch nur geringem, Rückgang der Förderung geführt, wie in der Abbildung rechts dargestellt. Die benötigten Fördermittel, relativ zu Dachanlagen bis 10 kWp, sind zwar um ca. 40% gesunken, aber mit den 2020 geförderten Großanlagen wurden auch  nur ca. 0.27% des deutschen Bedarfs an elektrischer Energie (571.7 TWh/a) gedeckt - viel zu wenig, um einen merklichen Einfluss auf die deutschen Strompreise zu haben. Diese sind übrigens etwa 6mal höher als die Garantiepreise (siehe Abbildung oben)!





Bei Auktionen in 2020 vergebene installierte Leistung von deutschen PV-Großanlagen (rote Balken, linke Skala) und die erzielten Garantiepreise für Netzenergie (grüne Kurve, rechte Skala).

Daten vom BMWK.


1) Auf meine Anfragen hat allein die "Energy Information Administration (EIA)" geantwortet. Demnach bezieht diese ihre Informationen von der "International Energy Agency (IEA)" und benutzt
  • die Substitutionsmethode für die Berechnung des Primärenergiebedarfs,
  • den Nettowert für die elektrische Energie, d.h. die Verluste durch den Eigenbedarf der Wandlungsanlagen, die Energiespeicherung und den Energietransport zum Empfänger werden nicht berücksichtigt.
Ich halte diese Methodik für tatsachengerechter als die des BMWK.
2) Es ist schon verwunderlich, dass Tab. 21 seit 2015 nicht mehr ergänzt wurde - als ob dem BMWK selbst nicht klar ist, welche Daten hier publiziert werden.
3) Die Strompreise variieren in den USamerikanischen Bundesstaaten wesentlich stärker als in den deutschen! Im Juli 2017 betrug z. B. der Strompreis in Connecticut 0.2023 USD/kWh, in Washington aber nur 0.0987 USD/kWh. Bei den hier gezeigten Daten handelt es sich um "mittlere" Preise, wobei nicht klar ist, wie gemittelt wurde.
4) Dies ist natürlich kein Beweis! Siehe hierzu auch die Fußnote 3  in Kap. 6.4.