Der Lovins-Report




Ergänzungen
Mitte 2017:
 
Daten update
Fazit

Hinter diesem Titel verbirgt sich:

Winning the Oil Endgame
Innovation für Profit, Arbeitsplätze und Sicherheit

Untersuchung mit teilweiser Unterstützung durch das "Departement of Defense" der USA

Herausgegeben von dem Rocky Mountain Institute im März 2005

Dieser Report steht im Internet1) zur Verfügung und kann daher von Jedermann eingesehen werden. Sein Ziel ist wesentlich bescheidener als das des Öko-Reports, den wir im vorigen Abschnitt behandelt haben, und lautet:

Wie kann die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von Ölimporten verringert werden, ohne dass sich dabei die wirtschaftliche und politische Stellung der USA in der Welt verändert und seine Bevölkerung an Lebensstandard verliert?

Das bedeutet, es geht im diesem Report im Wesentlichen allein um den Energieträger Erdöl und den Bedarf nach ihm in den USA. Das Ziel, diesen Bedarf zu reduzieren, und welche Maßnahmen zu diesem Ziel führen, dies Alles wird auf 330 Seiten geschildert. Das ist vom Umfang etwa 3mal so groß wie der Öko-Report und auch der Ansatz, wie dieses Ziel zu erreichen ist, unterscheidet den Lovins-Report vom Öko-Report. Denn im ersteren spielen nicht Umwelt und Nachhaltigkeit die entscheidende Rolle, sondern, wie bereits im Titel erkennbar, der Markt ist das entscheidende Instrument für die Umstrukturierung der Nachfrage und der Versorgung. Um es in einem Satz zu sagen:
Es ist für die amerikanische Volkswirtschaft profitabler, die hohen Kosten, welche durch die Ölimporte entstehen, zu ersetzen durch die geringeren Kosten, welche bei dem Ersatz alter durch neue Technologien entstehen.
Für die Umstrukturierung ist die Ausgangslage in den USA in der Tat wesentlich günstiger als in Deutschland, wie wir in Kap.3.2 gelernt haben:
  • Fast 70% des Erdölbedarfs wird durch den Sektor Verkehr verursacht und der Kraftstoffbedarf der Fahrzeuge in den USA ist um mehr als 20% höher als in Deutschland.
  • Die USA besitzen relativ eine viel größere Landwirtschaftsfläche, die zur Erzeugung von Biokraftstoffen genutzt werden kann.

Daher werden im Lovins-Report 4 Empfehlungen erarbeitet, wie der Erdölbedarf in den USA reduziert werden kann:
  1. Vergrößerung der Energieeffizienz im Sektor Verkehr (miles per gallon) um fast das 3fache, verglichen mit der heutigen Energieeffizienz2).
Dazu müssen neue Technologien in der amerikanischen Kraftfahrzeugindustrie eingeführt werden, die nicht so sehr in der Steigerung des Wirkungsgrads von Motoren bestehen, sondern in der Produktion von Kraftfahrzeugen mit
  • geringerem Gewicht durch fast ausschließliche Verwendung von Kunststoffen im Karosseriebau,
  • weniger Fahrwiderstand durch bessere Formgebung und bessere Bereifung,
  • Hybridantrieb, mit dem ein Teil der Motorenergie zurückgewonnen und für den Antrieb durch einen Elektromotor verwendet wird.


Entwicklung der Energieeffizienz im Sektor Verkehr (USamerikanische PKW = blaue Fläche) nach der Statistik des Transport Ministeriums und der Erwartung des Lovins-Reports (gestrichelte Kurve).
Hier werden beispielhaft die Entwicklungen auf dem europäischen und fernöstlichen Automarkt ins Feld geführt und es wird beklagt, dass die amerikanische Autoindustrie nur sehr langsam diesen Entwicklungen folgen kann. Die Folge ist die augenblickliche Krise im amerikanischen Automobilmarkt. Der Lovins-Report spricht offen von der Gefahr (Seite 166), dass die zunehmenden Autoimporte in die USA zwar u.U. die Abhängigkeit vom Erdölimport verringern, dafür aber die Abhängigkeit von den ausländischen Autoherstellern vergrößern. Insofern ist der Report nicht frei von isolationistischen3) Tendenzen. Wird die amerikanische Autoindustrie so umstrukturiert, wie vorgeschlagen, berechnet der Lovins-Report bei Ausschöpfung aller technologischen Möglichkeiten eine Vergrößerung der Energieeffizienz beim Energieträger Erdöl bis zum Jahr 2025, wie sie in der Abbildung oben gezeigt ist. Demnach steigt die Energieeffizienz, verglichen mit dem Jahr 2000, um das 2.8fache, während die tatsächliche Entwicklung der Energieeffizienz USamerikanischer PKW zwischen 1990 und 2014 nur einen Steigerungsfaktor von ca. 1.1 aufweist.

  1. Umstieg von fossilen Kraftstoffen auf Biokraftstoffe.
Dass Biokraftstoffe durchaus in der Lage sind, einen großen Teil des Kraftstoffbedarfs in den USA zu decken, haben wir bereits in Kap.3.2 behandelt. Im Lovins-Report werden aber nicht so sehr die Zucker produzierenden Pflanzen, wie Zuckerrüben, untersucht, sondern der Bedarf nach Biomasse wird hauptsächlich durch die Anpflanzung von Gräsern und schnell wachsenden Bäumen gedeckt. Als neue Technologie wird die Konversion von Cellulose in Zucker durch genetisch manipulierte Bakterien vorgeschlagen. Die Gentechnik spielt daher eine wichtige Rolle im Lovins-Report. Biokraftstoffe werden nicht nur als Ersatz für Erdöl im Verkehrssektor eingesetzt, sondern zusammen mit der Biomasse lassen sich diese als Substitute auch in den anderen Bedarfssektoren Industrie, private Haushalte und Kleinverbraucher benutzen und ersetzen dort das Erdöl.

  1. Substitution von Erdöl durch Erdgas.
Die Energieeinsparungen in allen Sektoren durch eine Erhöhung der Energieeffizienzen führt in Folge auch zu einer Verminderung des Erdgasbedarfs. Die dadurch frei werdenden Erdgasmengen können wiederum zu einer weiteren Verminderung des Erdölbedarfs verwendet werden, hauptsächlich in der Industrie und dort besonders in der Petrochemie. Insgesamt ergibt sich eine Reduktion des amerikanischen Erdölbedarfs, wie er in der Abbildung links gezeigt ist. Der Bedarf würde im Jahr 2025 nur noch  ca. 60% des Bedarfs betragen, den die USA im Jahr 1990 hatten. Verglichen mit den Daten der BP und den Prognosen der Energy Information Administration(EIA) würde sich im Jahr 2025 sogar eine Reduktion um 50% ergeben und dieser Bedarf könnte wahrscheinlich noch aus den eigenen Erdölquellen gedeckt werden. Letztendlich gibt es noch eine 4. Möglichkeit, den Erdölbedarf weiter zu senken, und das ist der
  1. Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft.


Tatsächliche und erwartete Entwicklung des Erdölbedarfs nach der EIA (farbige Flächen) und des Lovins-Reports (gestrichelte Kurve).
Der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft ist ein notwendiger Schritt, falls erneuerbare Energien einen wesentlichen Beitrag in einer zukünftigen Energieversorgung leisten sollen. Dies ist in Energie2 im Kap.6.4 und Kap.7.3 ausführlich behandelt worden. Aber nicht die Speicherung, der Transport, die Sicherheit oder die Kosten sind, wie im Lovins-Report behauptet, das eigentliche Problem einer Wasserstoffwirtschaft, sondern die Produktion von Wasserstoff. Und in diesem Punkt ist der Report sehr schwach, denn als wichtigste Wasserstoffquelle wird die Reformierung von Erdgas vorgeschlagen. Erdgas besitzt, wie das Erdöl, nur eine endliche Reichweite und die Alternative, die elektrische Energie aus Windkraftanlagen mittels Wasserelektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff zu benutzen, wird nur nebenbei erwähnt, ohne dass diese Option wirklich analysiert und ihre Möglichkeit untersucht wird. Wahrscheinlich ist der Grund der, dass eine Untersuchung nicht nur auf ökonomischer, sondern auch physikalischer Basis gezeigt hätte, dass die Möglichkeiten dieser Option keineswegs so vielversprechend sind, wie vermutet (siehe dazu auch Kap.3.6). Und daher ist auch nicht verwunderlich, dass der Option von Elektrofahrzeugen im Lovins-Report kein breiterer Raum zugesprochen wird. Im Kap.5.5 werden wir uns aber detaillierter mit dieser Option beschäftigen.

Welche Maßnahmen von Seiten der Regierung sind erforderlich, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Es liegt im Sinne des Lovins-Reports, dass die Regierung nur minimal in das Marktgeschehen eingreifen und sich statt dessen mehr auf das Setzen der Rahmenbedingungen beschränken sollte, welche den Markt in die vorgegebene Richtung treiben. Das wird z.B. an der Behandlung von Abgaben und Steuern sichtbar. Eine Energiesteuer wird als kontraproduktiv angesehen, weil sie die Industrieentwicklung hemmt, insbesondere den Kraftfahrzeugmarkt verkleinert und so Arbeitsplätze kostet. Befürwortet werden dagegen Abgaben, welche die Benutzung (nicht den Kauf) von Kraftfahrzeugen weniger leicht machen, z.B. durch Mautgebühren in den Städten und auf den Autobahnen. Die Einnahmen sollten ausschließlich in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur investiert werden und somit Arbeitsplätze schaffen.

Eine andere wichtige Maßnahme betrifft ein System, durch das die Kosten für wenig effiziente Autos angehoben werden und mit dem Gewinn die Kosten für sehr effiziente Autos gesenkt werden. Dieses System sollte so ausgelegt sein und jeweils angepasst werden, dass es insgesamt kostenneutral ist. In die gleiche Richtung zielt ein Programm, welches den öffentlichen Sektor veranlasst, dort, wo er hohe Fahrzeugbestände unterhalten muss (z.B. die Fahrzeugparks von Bundes- und Landesregierungen), das jeweils effizienteste Kraftfahrzeug auszuwählen. Ein anderes Programm soll es Gruppen mit niedrigem Einkommen ermöglichen, ihre alten Autos, die meist sehr ineffizient sind, gegen neue und effizientere Autos auszutauschen. Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen, insbesondere zur Modernisierung der amerikanischen Kraftfahrzeugindustrie, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen.

Der Lovins-Report unterscheidet sich in den vorgeschlagenen Maßnahmen ganz wesentlich von dem Öko-Report. Auf der anderen Seite sind sich beide Reports auch sehr ähnlich. Die  Hauptgewichte werden gelegt
  • auf das Einsparen von fossilen Energieträgern (im Lovins-Report allerdings beschränkt auf den Energieträger Erdöl),
  • auf die Förderung erneuerbarer Energien und hier besonders auf die der Biomasse,
  • auf den Rückgang der Kernenergie.
Auch im Lovins-Report wird der Kernenergie keine Zukunft eingeräumt, aus dem sehr simplen Grund, dass der Bau von neuen Kernkraftwerken (KKW) zu teuer sei (Seite 258). Diesem Argument kann jemand nur schwer folgen, der weiß, dass z.Z. 441 KKW auf der Welt im Betrieb sind und 137 neue KKW entweder gebaut werden oder geplant sind (davon 14 in den USA). Dann ist es schon überzeugender, den KKW keine Zukunft zuzubilligen, weil das Entsorgungsproblem bisher nicht so gelöst ist, dass es von der Öffentlichkeit akzeptiert wird. Aber dies ist weder ein ökonomisches, noch ein physikalisches, sondern ein politisches Argument.

Der eigentliche Test für den Lovins-Report findet erst dann statt, wenn seine Vorhersagen mit der tatsächlichen Entwicklung in den USA verglichen werden können. Das wird, wie beim Öko-Report, erst dann der Fall sein, wenn ca. 10 Jahre seit seiner Entstehung vergangen sind, also im Jahr 2015.  Als Vorbereitung für diesen Vergleich zeigt die Abbildung rechts, welchen Beitrag die erneuerbaren Energien als Kraftstoffe im Bereich Verkehr seit 2000 in den USA erbracht haben. Mit ca. 5.6% im Jahr 2016 ist dieser Beitrag sehr gering, zumal nach einem zunächst fast exponentiellen Anstieg die Zuwächse seit 2012 nur noch klein sind. Wenn sich daran nichts ändert, wird es mehr als 100 Jahre dauern, bis der Kraftstoffbedarf der USA allein aus Biomasse gedeckt werden könnte. Und trotzdem sehen die Chancen dafür besser aus als in vielen anderen Ländern, denn

Ein Vergleich des bisherigen Beitrags erneuerbarer Energien in den USA zur Deckung des Bedarfs nach  Kraftstoff mit der Zielvorgabe des Lovins-Reports (man beachte die log Skala der y-Achse).
  • die USA bieten, von ihrer Flächenstruktur her gesehen,  viel bessere Voraussetzungen dafür, dass die gesteckten Ziele erreicht werden,
  • die Mechanismen sind marktkonform, Regulierungen von Seiten der Regierung werden auf ein Minimum beschränkt.
Trotzdem ist die Vorstellung, dass sich die Anpassung allein durch die Einführung von Biokraftstoffen innerhalb einer Frist von 60 Jahren erreichen ließe, unrealistisch, denn
  • die Erzeugung von Biokraftstoff nach heutigen Verfahren erfordert einen fast gleich hohen Einsatz von Primärenergie (unter Berücksichtigung der notwendigen Energie zur Herstellung von Düngemitteln und Herbiziden),
  • die dafür benötigten Landwirtschaftsflächen werden ebenso ruiniert wie der lebenswichtige Wasserhaushalt in den Anbaugebieten.
Es erscheint mir wesentlich wichtiger, dass der Kraftstoffbedarf in den USA insgesamt deutlich reduziert wird.4)

Daher sind, verglichen mit den Fakten, die Aussichten minimal, dass sich die Vorschläge des Lovins-Reports jemals in Wirklichkeit verwandeln ließen - ein Schicksal, dass er mit dem Öko-Report teilt und dass wohl auch die deutsche Energiewende erleiden wird: Die Fakten fegen über das Wunschdenken hinweg und zurück bleiben Trümmer, an denen u.U. ganze Volkswirtschaften zugrunde gehen können.

1) Die home page des Rocky-Mountain-Institutes lässt sich nicht auf allen Browsern öffnen - ich habe keine Erklärung dafür.
2) Dass in diesem Fall die Energieeffizienz anders definiert ist als allgemein bei der Analyse von Volkswirtschaften, sollte nicht verwundern: Die Energieeffizienz setzt sich zusammen aus einem produktiven und einem konsumtiven Anteil, der Sektor Mobilität ist sicherlich dem letzteren zuzurechnen.
3) Man verwechsle Isolationismus nicht mit Protektionismus, denn die ausländischen Autos sollen ja nicht durch Handelsbarrieren vom amerikanischen Markt verdrängt werden, sondern durch mindestens gleich gute amerikanische Autos, die weniger kosten.
4) In der Zeit von 2000 bis 2016 ist der Kraftstoffbedarf in den USA praktisch konstant geblieben, mit leicht abnehmender Tendenz seit 2006 und dann wieder ansteigender Tendenz seit 2012.