Viele halten die
Mobilität, d.h. die uneingeschränkte, motorisierte
Bewegung, für ihr persönliches Grundrecht, obwohl sie als
solches nicht in der deutschen, und wohl auch in keiner
anderen, Verfassung erwähnt wird. Die Väter der Verfassung
haben sehr weise gehandelt, denn es gibt kein besseres
Beispiel dafür, wie menschliches Wunschdenken durch
natürliche Gesetze eingeschränkt ist1).
Bedeutet die Erfüllung eines Grundrechts die Verletzung
natürlicher Gesetze, so wird eher das Grundrecht
unwirksam, als dass sich die Natur verändert. Und daher
ist durchaus zu erwarten, dass sich die Bedeutung der
Mobilität in unserem Lebensumfeld stark verändern, d.h.
verringern wird.
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In Energie2
wurde ausgeführt, dass der Sektor Mobilität in seiner
Struktur äußerst heterogen ist, aber gleichzeitig wohl
auch über ein sehr hohes Sparpotenzial mit Hinsicht auf
die fossilen Energieträger verfügt. Mit der Verknappung
von Erdöl und Erdgas ist zu erwarten, dass dieses
Potenzial auch ausgeschöpft wird und diese Energieträger
nur teilweise durch elektrische Energie ersetzt werden
können. Bei dem öffentlichen Teilbereich des Landverkehrs
bietet dies keine prinzipiellen Probleme, es erfordert
lediglich die Bereitstellung der erforderlichen
Investitionsmittel für Strukturverbesserungen. In Europa
ist das Schienenverkehrsnetz, innen- und außerstädtisch,
bereits sehr gut ausgebaut. In den USA bestehen
ausgearbeitete Pläne,
dies möglichst schnell nachzuholen. Auch an den
Möglichkeiten, den öffentlichen Nahverkehr effizienter zu
machen und gleichzeitig den individuellen Wünschen
anzupassen, wird gearbeitet.
Alle diese Initiativen haben das Ziel, den Energiebedarf
im Sektor Verkehr (z.Z. ca. 30% des
Primärenergiebedarfs) zu verringern, was nur durch eine
Verringerung der Anzahl der Landfahrzeuge erreicht wird.
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Anders sieht es
beim öffentlichen Luftverkehr aus, wo sich zunächst die Möglichkeiten
anbot, die Biomasse als Basis für den Kraftstoff
einzusetzen. Da die Nutzung der Biomasse als Energieträger
prinzipiell äußerst problematisch
ist, wird jetzt die Option " synthetische Kraftstoffe"
diskutiert. Dabei handelt es sich um Kohlenwasserstoffe,
die aus Abfällen (z.B. Plastik) mithilfe chemischer
Prozesse und erneuerbarer Energien erzeugt werden sollen.
Theoretisch möglich, aber es fehlt die Analyse der
Prozesskosten. Daher muss man davon ausgehen, dass
der Luftverkehr in Zukunft sehr teuer und daher in seiner
jetzigen Bedeutung schrumpfen wird. Falls nicht verursacht
durch menschliche Einsicht, dann durch die wesentlich
höheren Kosten. |
Sparmaßnahmen, bzw. Reduktionen im Individualverkehr
stoßen fast immer auf Ablehnung in der Öffentlichkeit. Von
Politikern wird daher oft auch die Möglichkeit
hervorgehoben, den herkömmlichen Brennstoffmotor durch
alternative Antriebstechniken zu ersetzen. Wie in Kap.3.8 geschildert,
bietet sich dafür besonders der elektrische Antrieb an,
d.h., die heute noch fahrenden PKWs sollen durch
Elektrofahrzeuge (EV = electric vehicle) ersetzt werden.
Ganz klar, dies ist keine Sparmaßnahme, sondern nur ein
Austausch der Antriebstechnik. Darüber hinaus hatten diese
Austauschprogramme bisher wenig Erfolg: 2020 betrug der
EV-Anteil (ohne Kraftstoffmotor) an den zugelassen PKWs
global ca. 0.84% von 1.3 Mrd.
PKWs,
- in
Deutschland
ca. 1.2% von 47.7 Mio. PKWs,
- in den
USA
ca. 0.90% von 196 Mio. PKWs (passenger cars).
In den USA wird der Austausch mit tax
credits gefördert, in Deutschland durch eine Prämie
(siehe unten). Global gesehen
machten 2018 diese Subventionen ca. 18% der gesamten
Käuferinvestitionen aus - aber ohne weitere Subventionen
würde der zukünftige Markt für EVs wahrscheinlich
schrumpfen. Daher zunächst einige Informationen zu diesem
Markt:
- Zu den Fahrzeugen vom Typ EV gehören einmal solche
ohne Kraftstoffmotor (manchmal auch
BEV = battery
electric vehicle genannt) und solche mit
Kraftstoffmotor ( PHEV
= plug-in hybrid vehicle). Beiden ist gemeinsam, dass
der Akkumulator vom öffentlichen Stromnetz aufgeladen
werden kann. Der Kraftstoffmotor ist nur als
Hilfsmittel gedacht zur Verlängerung der Reichweite.
- Nicht zum Typ EV gehören Fahrzeuge mit gemeinsamen
Kraftstoff- und Elektroantrieb (HEV = hybrid electric
vehicle), deren Akkumulator aber nicht aus dem
öffentlichen Stromnetz aufgeladen werden kann. Der
Kraftstoffmotor bildet den Hauptantrieb, der
Akkumulator ist Speicher für die zurückgewandelte
kinetische Energie.
Letztere bieten keine Zukunftsperspektive, denn sie sind
immer noch abhängig von fossilen Brennstoffen, sie verbessern
nur etwas den Wirkungsgrad des PKWs. Das hatte zur Folge,
dass im Jahr 2007 die USamerikanische Regierung neue Förderrichtlinien
verabschiedet hat, so dass die Entwicklung der Fahrzeuge
vom Typ HEV nicht weiter gefördert wird.
Die 3 Länder mit dem höchsten Anteil
an EVs in ihren PKW-Flotten waren in 2021:
- Norwegen mit 74.7%,
- Island mit 55.0%,
- Schweden mit 32.2%.
- Dagegen hat, absolut gesehen, China die meisten
Elektrofahrzeuge, nämlich 5.5 Mio. EVs am Ende des
Jahrs2021.
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Die rasche Einführung von EVs scheiterte
weltweit bisher an der geringen Energiedichte von
verfügbaren Akkumulatoren, welche die Reichweite von
Elektrofahrzeugen begrenzt. Der VW ID.3 z.B. besitzt einen
Li-Akku mit einer Kapazität von max. 82 kWh und erreicht
damit eine Reichweite von 390-550 km, je nach Fahrweise.
Der Akkumulator allein verursacht geschätzte Kosten in Höhe von
8000-9000 €. Eine bessere Akzeptanz versprechen
nur Entwicklungen zur Steigerung der Energiedichte
und, damit verbunden, der Kostenreduktion der
Akkumulatoren. Eine Möglichkeit
wäre z.B., das eher selten
vorkommende Li durch Al oder Zn zu ersetzen,
eine Technik, die unter Laborbedingungen bereits
gelungen ist. Aber z.Z. sieht es nach einem schnellen
Fortschritt auf diesem Gebiet nicht aus. Daher werden
von vielen Autofirmen schon jetzt EV-Fahrzeuge mit
Li-Akkus angeboten. Eine alphabetische Liste dieser
Firmen findet sich hier.
Auf die technische Realisierung des EV
wird in einem Sonderkapitel
eingegangen. |
Ganz allgemein
gilt, dass der Preis für ein EV um so höher ist, je größer
seine elektrische Reichweite ist, also je größer der
Akkumulator ist. Das folgt auch aus den Verkaufszahlen
in den USA: Von den BEVs ist seit seiner Einführung
2017 der Tesla "Model3" mit einem noch tolerablen Preis
von ca. 46 Tsd. USD am meisten verkauft worden, von den
PHEVs steht der Chevrolet Volt (in Deutschland unter dem
Namen "Opel Ampera" bekannt) an 1. Stelle.
Voraussichtlich werden die USA und China auch die ersten
Staaten sein, in denen EVs in größerem Umfang im Verkehr
eingesetzt werden. Das hat 4 wesentliche Gründe:
1.
Umweltprobleme.
Besonders in China leidet die Bevölkerung unter
Schadstoffemissionen aufgrund des steigenden
Energiebedarfs. Ein Mittel, diese zu reduzieren, ist die
Abkehr von der Nutzung fossil biogener Treibstoffe,
allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die anstelle
genutzte elektrische Energie aus nicht-emittierenden
Quellen stammt. Ist das nicht möglich, müssen
Emissionsquellen aus Wohngebieten ins Umland verbannt
werden (wohl der eigentliche Grund).
2. Ölabhängigkeit.
Die USA und China als Weltmächte werden alle Anstrengungen
unternehmen, um die Abhängigkeit von Erdölimporten zu
verkleinern und so der Gefahr von Erpressungsversuchen
seitens ausländischer Staaten zu entgehen. Dieses Motiv
war schon der Auslöser für den Lovins-Report,
hat aber seit Erschließung der Erdöl-shale-Vorkommen in
den USA an Bedeutung verloren. China will dies durch den
Ausbau der Kernenergie
erreichen.
3. Öffentlicher Verkehr.
Abgesehen vom Luftverkehr ist das Netz der öffentlichen
Verkehrsmittel in den USA und China dünn, wenn man es mit
deutschem Standard vergleicht. Bei der Mobilität besitzt
der private Verkehr daher im Prinzip eine viel größere
Bedeutung als in Deutschland.
4.
Flächennutzung.
Aufgrund ihrer Größe ist die Flächennutzung in den USA und
China viel extensiver als z.B. in Deutschland. Schon
mittlere Städte erstrecken sich über weit ausgedehnte
Wohn- und Wirtschaftsgebiete und erfordern ein hohes Maß
an Mobilität von ihren Bewohnern.
Bei anderen Faktoren, wie z.B. dem Energiebedarf oder
Klimaschutz, sind die Vorteile der privaten Nutzung von
Elektrofahrzeuge eher gering, wenn nicht sogar Nachteile
entstehen.
USA
Energiebedarf.
Gemäß Energie2
handelt es sich bei dem Einsatz von EVs um eine
Prozesskette von der Sekundär- zur Nutzenergie mit
den Stufen
Kraftwerk ->
Transport -> Speicherung -> Antrieb.
Selbst wenn man moderne Wandlungstechniken
zugrunde legt, ergibt sich für diese Kette ein
Nutzungsgrad von
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0.95  0.3
Dieser Wert lässt sich auch mit dem Einsatz
moderner Dieselmotoren erreichen, wenn man die
gesamte Prozesskette ab der Erdölraffinerie
berücksichtigt (siehe VW XL1). Und
es wäre auch aufwändig! Zum Beispiel betrug
in den USA der Beitrag des Kraftfahrzeugverkehrs
am Primärenergiebedarf im Jahr 2019 noch ca. 25%,
dagegen lag der Anteil der elektrischen Energie
nur bei ca. 14%. Um die Infrastruktur für die EVs
aufzubauen, müsste dieser Anteil mindestens
verdoppelt werden2), oder anders
gesagt: Die gesamte Elektrizitätsmenge im Jahr
2019 wird für die EV Flotte benötigt. Das wird so
ähnlich auch in einer Studie des NRC
gesehen, die zu dem Schluss kommt, dass die
Einführung von EVs in den USamerikanischen
Personenverkehr bis zum Jahr 2030 nur einen Umfang
von 13 Millionen, das sind weniger als 5% aller
Fahrzeuge, erreichen wird. Die Pläne
der BRD sind weitaus ambitionierter! |
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Entwicklung des
elektrischen Energiebedarfs in den USA zwischen
2005 und 2020 und welche Energieträger zu seiner
Deckung eingesetzt wurden.
Aus der Abb. oben (Daten von der EIA)
ergibt sich der geringe Beitrag, welchen
erneuerbare Energien (abgesehen von der
Wasserkraft) an der Bereitstellung elektrischer
Energie in den USA haben (siehe auch Kap.
3.1). Der Bedarf ist im betrachteten
Zeitraum i.W. konstant geblieben, aber Kohle
wurde vermehrt durch Erdgas ersetzt.
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In den letzten 10 Jahren hat sich der USamerikanische
Bedarf nach elektrischer Energie praktisch nicht verändert
(siehe Abb. oben rechts), aber die Integration der EV
Flotte würde diesen Bedarf drastisch erhöhen - mit
ebenso drastischen Auswirkungen auf insbesondere den
Klimaschutz
Natürlich hängen die Schadstoffemissionen vom
Kraftwerkstyp ab. Betrachtet man, welche Energieträger für
die Versorgung mit elektrischer Energie in den USA seit
2005 (siehe Abb. oben rechts) eingesetzt wurden, dann
ergibt sich deutlich der vernachlässigbare Beitrag von
erneuerbaren Energien (mit der USA-spezifischen Ausnahme
der Wasserkraft) und dem langsamen Ersatz der Kohle durch
das Erdgas. Die CO2 Emissionen zum Betrieb der
EV Flotte werden dadurch nicht wesentlich verringert, wenn
man diese vergleicht mit denen eines modernen
Dieselfahrzeugs (siehe VW XL1).
Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass erneuerbare
Energien die Rolle von Kohle und Erdgas in absehbarer
Zukunft übernehmen könnten, ganz abgesehen davon, dass
dadurch der entsprechende Primärenergiebedarf aufgrund der
fluktuierenden Einspeisung der erneuerbaren Energien
um einen Faktor >3 erhöht werden würde, da
Energiespeicher fehlen. Um die Akzeptanz von EVs zu
erhöhen, wird immer wieder betont, dass ihr Anschluss an
das öffentliche Elektrizitätsnetz auch zur Dämpfung dieser
Fluktuationen genutzt werden könnte. Dazu müsste deren
Besitzern natürlich finanzielle Anreize geboten werden.
Aber eine kürzlich publizierte Studie
stellt fest, dass unter diesen Umständen die Nutzung der
EV-Flotte zur Energiespeicherung ( V2G)
nur eine eingeschränkte Option darstellt.
Man erhält daher den Eindruck, dass Energiebedarf und
Klimaschutz bei der Einführung von Elektrofahrzeugen eine
untergeordnete Rolle spielen, sondern dass befürchtete
Engpässe in der Kraftstoffversorgung und die
Emissionsverlagerung die ausschlaggebenden Motive sind.
Denn auch mit den für 2030 vorhergesagten ca. 5% der
gesamten Fahrzeugflotte in den USA - und in den meisten
anderen Ländern sieht es wahrscheinlich nicht anders aus -
hätte dies einen nur geringen Einfluss auf den Bedarf nach
fossilen Kraftstoffen und den damit verbundenen CO2
Emissionen.
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BRD
Und das, obwohl sich die Hersteller für die benötigten Li-Ion-Akkumulatoren fast
ausschließlich im Ausland befinden. Laut des Statistik-Portals
wurde der Markt für derartige Akkumulatoren Ende 2020 von
nur 3 Firmen beherrscht: Catl(28%), LG Chem(28%) und
Panasonic(17%). Diese Firmen haben ihre Stammsitze alle in
Ostasien (Japan, China, Südkorea), und auch die restlichen
Akkumulatoren wurden überwiegend in Ostasien gefertigt.
Die USamerikanische Firma A123, die vor 2012 noch eine der
wichtigsten Akkumulatorproduzenten war, ist inzwischen pleite
gegangen - ein klares Signal, wie umkämpft dieser Markt
ist und wie schwer es deutsche Produzenten ( Bosch
und Daimler)
haben werden, dort einzusteigen. Aus dieser Notlage hatte
die deutsche Bundesregierung schon 2019 beschlossen, ein
Förderprogramm zur Batteriezellenforschung im Umfang von
500 Mio. € aufzulegen, das allerdings sehr umstritten war und um das es sehr
still geblieben ist. .
Aber die Zeit drängt. Denn wie schon berichtet, waren bis
Ende 2021 nur ca. 569 Tsd. EVs in Deutschland zugelassen,
und in 10 Jahren soll sich diese Zahl mindestens
verzwanzigfachen! Bisher wurden die meisten EVs auf Firmen
zugelassen, die sich selbst mit der Elektromobilität
beschäftigen, und weniger auf Privatpersonen. Um dies zu
ändern, wurde ab 8.5.2016 der Kauf von EVs mit einer Prämie
subventioniert. In den Jahren 2020-2021 hat dies
aber die Zulassung
derartiger PKW nicht wesentlich gesteigert. Und die
AMPEL-Koalition plant ohnehin, Ende 2022 die bislang
gültigen Förderrichtlinien zu ändern.
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1) Jeder,
der sich von A über B zurück nach A bewegt, "verbraucht"
(nach medialem Sprachverständnis) Energie, obwohl die
Bewegung allein den Endzustand A gar nicht vom
Anfangszustand A unterscheidet. Ein Nachdenken über dieses
nur scheinbare Paradoxon eröffnet den Weg zu einem
tieferen Verständnis der Stellung, welche die Energie in
der Natur einnimmt.
2) Diese Rechnung setzt voraus, dass die Anzahl
der Fahrzeuge bei gleicher Leistung konstant bleibt. Diese
Voraussetzung zu machen, ist nicht unvernünftig,
weil bei einer Anzahlvergrößerung die Leistung
gleichzeitig zurückginge.
3) Im Jahr 2022 sind die Kraftstoffpreise
aufgrund des Kriegs in der Ukraine drastisch gestiegen, so
dass die AMPEL-Koalition
darüber nachdenkt, diese zu subventionieren, was natürlich
der schnellen Einführung von EV zuwider läuft. |