Eines der Ergebnisse des
G7-Gipfels im Juni 2016 - manche nennen es sogar das
wichtigste Ergebnis - war der Beschluss, spätestens bis zum
Ende des 21. Jahrhunderts die Energieversorgung der
wichtigsten Industrienationen der Erde unabhängig von
fossil-biogenen Energieträgern zu machen, d.h. vollständig
auf erneuerbare Energien umzustellen. Ähnliche Forderungen
werden schon seit langem von Umweltorganisationen (wie z.B.
Greenpeace)
erhoben, die deshalb diesen Beschluss enthusiastisch
feierten und (ganz unerwartet) voller Lob für den G7-Gipfel
waren. Aber hat dieses Ziel, einen Versorgungsgrad = 1
für erneuerbare Energien zu erreichen, eine realistische
Aussicht auf Verwirklichung? |
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Dass dieses Ziel hōchst wahrscheinlich
aufgrund der physikalischen Eigenschaften der erneuerbaren
Energien und den daraus sich ergebenden ōkologischen Folgen
nicht zu erreichen ist, habe ich in energie2
und energie3
diskutiert. In diesem Manuskript (energie4) geht es im
Wesentlichen um ōkonomische Fragen. Und auch dieses Kapitel
verstärkt den bereits in anderen Kapiteln geäußerten
Zweifel, ob dieses Ziel erreichbar ist. Die eigentliche
Ursache ist eine physikalische Eigenschaft der 2 wichtigsten
Energieformen, nämlich die zeitlichen und räumlichen
Fluktuationen im Angebot von Sonne und Wind. |
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Sehr oft wird bei der
Diskussion von Energieproblemen (so war es auch im Fall des
G7-Gipfels) nicht unterschieden, ob die Energieversorgung
den Bedarf an Primärenergie oder allein den an elektrischer
Energie zu decken hat. Die Festlegung ist aber von
entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der Frage, wie
hoch und von welcher Art der Energiebedarf ist1).
Um allgemein zu bleiben, nehme ich an, dass in einer
Volkswirtschaft ein Bedarf W0 nach
Energie besteht. Dieser soll, wenigstens zum Teil, durch
erneuerbare Energien W(ernb)
gedeckt werden. Dieser Teil definiert den Versorgungsgrad
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Eine erste Konsequenz der Fluktuationen ist
daher die, dass immer W(ernb) <
ist. Das
Verhältnis definiert den Kapazitätsfaktor :
Ist der Versorgungsgrad gleich dem
Kapazitätsfaktor , so ist
= W0. |
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Dies ist, wie wir im Folgenden sehen werden,
die Grenzbedingung dafür, dass sich erneuerbare Energien
ohne Rückwirkung auf die Volkswirtschaft nutzen lassen. Aber
natürlich ist in diesem Fall < 1, während das angestrebte
Ziel = 1
verlangt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss offensichtlich > W0
gelten, und um die daraus resultierenden Konsequenzen zu
berechnen, muss P(W) bekannt sein. |
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Die Verteilungsfunktion P(W) ist zeit- und
ortsabhängig. Ihre allgemeine Form ergibt sich aber aus den
Rahmenbedingungen:
Die Potenz ist ein Parameter, dessen Wert durch den Wert von bestimmt wird: = 1/ - 2.
Nehmen wir als Beispiel Deutschland.
Im Jahr 2014 erreichten
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Es ist wichtig festzustellen, dass der Wert
von , und
damit der von , unabhängig vom Versorgungsgrad ist, also von der
Anzahl der Anlagen, die in Deutschland installiert sind. In
den Abbildungen unten sind die Verteilungsfunktionen P(W)
für Windkraftanlagen und für die 3 Fälle gezeigt, dass die
installierte Energie kleiner, gleich und grōßer als der
Energiebedarf W0 ist.
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Offensichtlich ist im letzten Fall ein
gewisser Teil des Energieangebots - in der Abbildung
ist dieser Teil als grüne Fläche gekennzeichnet - nicht
nutzbar, weil er den Energiebedarf übersteigt. Bevor wir uns
mit den volkswirtschaftlichen Konsequenzen dieses
Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage befassen,
soll untersucht werden, welchen Einfluss das Ungleichgewicht
auf den Versorgungsgrad hat. Für > W0 ist der nutzbare Teil der erneuerbaren Energie gegeben durch (in der Variablen ):
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Muss im Fall von 1/0 > 1
tatsächlich ein Teil der erneuerbaren Energie abgeschrieben
werden, weil kein Bedarf für sie besteht? In Deutschland treten derartige Situationen bereits heute (2014) auf, obwohl deutsche Windkraftanlagen nur einen Wert 1/0 0.7 erreichen. Trotzdem besteht kein Widerspruch zu Gleichung (6), denn der Bedarf nach elektrischer Energie W0 fluktuiert sehr stark mit der Folge, dass kleiner ist, als für den Idealfall berechnet1). Die einfachste Maßnahme in einer Situation, in der das Energieangebot die Energienachfrage übersteigt, ist der Verkauf der überschüssigen Energie auf dem internationalen Energiemarkt. Nach ōkonomischen Gesetzen senkt dies allerdings den Energiepreis für den ausländischen Käufer und führt zu finanziellen Verlusten für den inländischen Verkäufer der erneuerbaren Energie. Das deutsche "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) erlaubt nicht, dass diese Verluste auftreten. Es ist allerdings nicht der Staat, der die Verluste kompensiert, sondern der inländische Käufer, insbesonders und fast ausschließlich die Privathaushalte. Insofern hat sich für diese auch nichts an der Preisentwicklung geändert, wie sie in der Abbildung oben rechts skizziert ist. Und schließlich wird sich dieser simple Ausweg auch in dem Augenblick schließen, in dem die Nachbarstaaten Deutschlands selbst das Ziel = 1 anstreben und kein Bedarf mehr besteht für den deutschen Energieüberschuss. |
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Es existiert eigentlich nur eine Maßnahme,
mit welcher der Energieüberschuss fluktuierender
Energieträger nutzbar gemacht werden kann, und das ist die
Energiespeicherung. Über Speicherprobleme habe ich
ausführlich in energie2 und energie3
berichtet, ich werde das nicht hier wiederholen. Ganz
allgemein lässt sich sagen, dass es für Energiespeicher zwar
Konzepte gibt, es bisher aber nicht gelungen ist, einen
Energiespeicher zu bauen, der alle an ihn gestellten
Anforderungen erfüllt. Im Rahmen dieses Kapitels sind die
wichtigsten Anforderungen:
Auf der anderen Seite wird mithilfe der Energiespeicherung der Versorgungsgrad zunehmen, aber nicht in dem Maße, wie es dem Wert von W(ernb) entspricht. Denn die tatsächlich bereit gestellte Energie beträgt im besten Fall nur
Diese Abbildung offenbart gleichzeitig auch die wesentlichen Gründe, warum der oben genannte Beschluss des G7-Gipfels nur geringe Erfolgsaussichten besitzt (jedenfalls unter den Rahmenbedingungen, die für Deutschland entscheidend sind): |
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Man mag jetzt einwänden, dass noch weitere
erneuerbare Energien existieren und nicht nur die
Windenergie, welche ich als Beispiel behandelt habe. In der
Zukunftsplanung für die
Energieversorgung Deutschlands nimmt die Windenergie
allerdings eine herausragende Stellung ein, aus gutem Grund: Die Alternativen besitzen entweder einen
natürlich limitierten Versorgungsgrad (Biomasse,
Windenergie, Geothermie), oder einen noch geringeren
Kapazitätsfaktor (Fotovoltaik).
Man mag sich auch daran stōren, dass die Schlussfolgerungen
dieses Kapitels auf Berechnungen beruhen, die man nicht
versteht, oder weil man die Mathematik sowieso für
Teufelszeug hält. Diese Berechnungen bieten aber die einzige
Mōglichkeit zur Nachprüfung der aufgestellten Behauptungen.
Wer Daten und seinem Bauchgefühl mehr vertraut, der findet
im Internet ausreichend Informationen, welche ohne
mathematisches Beiwerk auskommen und trotzdem gleiche
Ergebnisse erzielen wie hier (wobei man darauf achten
sollte, dass die Informationsquelle unabhängig und
vorurteilsfrei ist). Ich empfehle z.B. den Bericht von Euan
Mearns zu lesen (in englischer Sprache), welcher die
Energieversorgung des UK zum Thema hat, mit Problemen sehr
ähnlich den deutschen. |
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1) Sie ist auch entscheidend dafür, ob und in welchem Umfang Fluktuationen im Energiebedarf W0 selbst auftreten. In diesem Kapitel wird davon ausgegangen, dass derartige Fluktuationen den Versorgungsgrad nicht reduzieren. Das ist der Idealfall und begünstigt den Beitrag erneuerbarer Energien in der Energieversorgung. 2) Für Werte > 0.5 würde die äquivalente Potenzform P() = lauten. 3) Die geforderte Speicherkapazität ließe sich z.B. mit 500 Millionen Li-Ionen Batterien des Tesla-S realisieren. Also müsste jeder Deutsche (vom Neugeborenen bis zum Senior) etwa 2.5 dieser Autos besitzen, die zu einem Stückpreis von ca. 100000 € verkauft werden. |