Energiefluktuationen in Deutschland

Wenn in Deutschland1) von erneuerbaren Energie die Rede ist, sind gewöhnlich die Windkraft und die Fotovoltaik gemeint. Aufgrund ihrer starken Fluktuationen sind beide nicht grundlastfähig, sie vermehren nur die Schwankungslast mit allen Konsequenzen, welche daraus resultieren.

Ein weitere Nachteil ist, dass in Deutschland die Kapazitätsfaktoren in beiden Fällen nur klein sind, und zwar für das Jahr 2014 im Fall der Windkraft nur etwa = 0.16, im Fall der Fotovoltaik sogar nur etwa = 0.11. Oft wird argumentiert, dass das Zusammenspiel von beiden Komponenten die Situation merklich verbessern würde. Dies ist aber nicht der Fall, wie jetzt in einer statistischen Analyse der Fluktuation für das Jahr 2014 gezeigt werden soll.

Die Daten sind der Internetseite der "Agora Energiewende" entnommen, sie sind für die Windkraft (blau) und die Fotovoltaik (rot) in den Abbildungen unten dargestellt.

Die tägliche Auslastung von Windkraftanlagen (blau, linke Skala) und die dazu gehörenden Summenhäufigkeiten (schwarz, rechte Skala).

Die tägliche Auslastung von Fotovoltaikanlagen (rot, linke Skala) und die dazu gehörenden Summenhäufigkeiten (schwarz, rechte Skala).

Zunächst sollte ein oft gemachter Fehler ausgeräumt werden:
Falls an einem Tag die Auslastung2) von Windkraftanlagen (WKA) und die von Fotovoltaikanlagen (PVA) jeweils 50% beträgt, so beträgt die Auslastung beider zusammen nicht 100%, sondern immer noch 50%.
Mathematisch so formuliert:
x1/y1 + x2/y2 (x1 + x2)/(y1 + y2).

Die Summe der Auslastungen von WKA Und PVA sind in der Abbildung rechts lila dargestellt, sie sind etwa von gleicher Größenordnung wie die der einzelnen Komponenten.

Dies ergibt sich auch bei der statistischen Analyse der Fluktuationen, für die ich die Methode der Summenhäufigkeiten verwende. Sie gibt die Anzahl der Tage eines Jahrs an, an denen die Auslastung unterhalb eines vorgegebenen Werts lag. Die Summenhäufigkeiten sind in allen Abbildungen als schwarze Kurven gezeichnet.


Sie zeigen, dass in der Hälfte des Jahrs 2014

Die tägliche Auslastung von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen (lila, linke Skala) und die dazu gehörenden Summenhäufigkeiten (schwarz, rechte Skala)
  • die Auslastung der WKA unterhalb von 11.5% lag,
  • die Auslastung der PVA unterhalb von 9% lag,
  • die Auslastung von beiden zusammen unterhalb von 11% lag.
Diese Ergebnisse sind repräsentativ, sie können zwar von Jahr zu Jahr etwas variieren, sind aber gekoppelt an die meteorologischen Bedingungen in Deutschland, welche sich von Jahr zu Jahr nur geringfügig verändern.

Die Konsequenzen, welche diese Fluktuationen auf die deutsche Energieversorgung haben werden, sind aber dramatisch: WKAs und PVAs werden künftig mehr als 15% des PEB decken müssen, weil fossile Energieträger keine Rolle mehr spielen, und Deutschland seinem selbst gesteckten Ziel "100% erneuerbare Energien" immer näher kommt. Dann wird es sehr fraglich, ob die (bisher immer als erfüllbar angenommene) Forderung Energieangebot (PEA) = Energiebedarf (PEB) zu jeder Zeit erfüllt werden kann. Die fehlende Energie mithilfe von Energieimporten auszugleichen, ist eigentlich verboten, denn Deutschlands Nachbarn sind vom Ziel "100% erneuerbare Energien" noch weit entfernt. Die einzig erlaubte Lösung wäre, genügend Speicherkapazität aufzubauen, so dass Energieüberschüsse die Energiedefizite zeitlich versetzt ausgleichen können, oder aber den Anteil installierter Energie drastisch zu erhöhen in der Hoffnung, die Fluktuationen wären nach unten beschränkt. Aber ist das überhaupt möglich?

Falls PEA = PEB nicht mehr gilt, muss die bisher übliche Sequenz Primärenergie -> Sekundärenergie -> Endenergie -> Nutzenergie entsprechend modifiziert werden:
Primärenergieangebot (PEA) -> installierte Energie -> Primärenergiebedarf (PEB).   (1)
Der 1. Schritt ist charakterisiert durch den Wirkungsgrad der Wandlung in elektrische Energie, der 2. Schritt durch den Kapazitätsfaktor aufgrund der fluktuierenden Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Das Produkt  habe ich bisher immer als Nutzungsgrad bezeichnet. Würde in der Sequenz (1) der Energiespeicher fehlen, wäre PEB identisch zur Sekundär-/Endenergie. Ist der Speicher vorhanden, erhöht sich PEB aus 2 Gründen:
  1. Die Energiespeicherung selbst ist charakterisiert durch einen Speicherwirkungsgrad .
  2. Falls ein Überschuss an installierter Energie vorhanden ist, müssen die WKAs und PVAs gegebenenfalls   "abgeregelt" werden, d.h. sie werden vom Netz genommen, weil die gewandelte elektrische Energie größer ist als der Energiebedarf und sich diese Überschussenergie nur schwer exportieren lässt. Das Verhältnis aus abgeregelter zu installierter Energie definiert den Abregelfaktor .
Insgesamt erhöht die Notwendigkeit der Energiespeicherung den Energiebedarf PEB also um den Faktor = 1/(1-), siehe Abbildung unten rechts, oder die Sequenz Primärenergie -> Sekundär-/Endenergie wäre charakterisiert durch den modifizierten Nutzungsgrad ernb  = /.
Der Nutzungsgrad ernb entscheidet über die Bedeutung erneuerbarer Energien für unsere Energieversorgung.

Wie groß ist also der Speicherbedarf S() bei gegebenen Abregelfaktor ? Diese Frage ist im Detail hier untersucht worden und ich werde die publizierten Resultate übernehmen, verwende als Einheit aber [PEB] = TWh/a.

Das Ergebnis ist in der Abbildung rechts unten dargestellt. Gezeigt ist das Verhältnis von Speicherbedarf zu Energiebedarf V() = S()/PEB(0), und zwar für 4 Staaten in Europa: Deutschland(DE), Frankreich(FR), Großbritannien(UK), Dänemark(DK). In allen diesen Staaten ist V() sehr ähnlich, die graue Fläche lässt die allgemeine Abhängigkeit vom Abregelfaktor  erkennen (Man beachte, dass V(1) = 0 sein muss!). Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die meteorologischen Bedingungen in Europa von Staat zu Staat nur wenig verändern. Auch der Energiemix (WKA/PVA) spielt nur eine geringe Rolle bei den Speicheranforderungen, ist aber von Bedeutung für den Wert des Kapazitätsfaktors , siehe Tabelle3) unten.
Staat
WKA/PVA

DE
1.08
0.16
FR
1.57
0.18
UK
1.57
0.15
DK
12.00
0.29

Es gelingt daher, den Speicherbedarf zu verringern, indem man den Ausbau der erneuerbaren Energien (WKA&PVA) steigert. Ein Beispiel für Deutschland:
Laut Energiekonzept besteht 2050 ein Energiebedarf aus WKA&PVA von PEB(0) = 800 TWh/a, der ohne Abregelung einen Speicherbedarf von S(0) = 51 TWh verursachen würde. Würde die installierte Energie verdoppelt werden, verringerte sich der Speicherbedarf um mehr als das Sechsfache!
Die Energieverschwendung mindert den Speicherbedarf.


Abhängigkeit des Energiebedarfs PEB() vom Abregelfaktor .


Abhängigkeit des Speicherbedarfs S() vom Abregelfaktor . Die Abweichungen vom grauen Bereich beruhen auf Rundungsfehlern der Rechnung.

Ich bezweifele trotzdem, dass sich diese Option bis 2050 verwirklichen lässt. Denn nimmt man einen Speicherwirkungsgrad Sp = 0.4 an (das ist sehr optimistisch geschätzt), so ergibt sich = 0.2 für = 0.5, und PEB(0) = 800 TWh/a würden eine installierte Energie von 4000 TWh/a voraussetzen. Im Jahr 2018 waren in Deutschland etwas mehr als 900 TWh/a installiert, d.h. man müsste die Anzahl von WKA&PVA um mindestens das 4.5fache erhöhen, weil Flächen mit ausreichend hohem Kapazitätsfaktor schon bebaut sind. Aber schon heute (2020) protestiert die Bevölkerung gegen den weiteren Ausbau der WKAs!


1) Ähnliche Daten für jeden anderen Ort der Erde findet man hier.
2) Die Auslastung ist definiert als täglicher Kapazitätsfaktor.
3) Die Werte in dieser Tabelle habe ich den publizierten Daten entnommen, sie weichen nur geringfügig von meinen eigenen Analysen ab.