In Zeiten einer steigenden
Energieverknappung mit stetig anwachsenden Energiepreisen
blicken viele Menschen auf die "unkonventionellen
Energieträger" und hoffen auf die Wunder, welche ihnen von
den Medien vorgegaukelt werden. Es ist kaum zu glauben,
aber eine Mehrheit der befragten US-Amerikaner meint,
dass "Di-Lithium-Kristalle" alle zukünftigen
Energieprobleme
lösen werden, und fordert,
mehr Geld in die Entwicklung dieser Option zu
investieren. Dass ähnliche Befragungen
in Deutschland stattgefunden haben, ist mir nicht bekannt.
Aber es würde mich nicht wundern,
wenn die Antworten ähnlich
von Nachrichten aus den
Medien dominiert wären.
Und wer nach weiteren Utopien in Fragen unserer
Energieversorgung sucht, der wird hier reichlich bedient.
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Hält man sich allerdings an
die Realitäten, so zählen zu den unkonventionellen
fossilen Energieträgern im Wesentlichen
Und im Kapitel 1.1 wurde
dargestellt, welche Bedeutung sie bis zum Jahr 2019 für die globale Versorgung mit Primärenergie
spielten.
In Energie2 haben wir die
Bedeutung der unkonventionellen Energieträger
allerdings nicht weiter
diskutiert, und zwar, weil ihre Verwendung
erhebliche Umweltrisiken birgt. Diese Einschätzung
hat sich auch seit der Publikation des Manuskripts
Energie2 nicht wesentlich
geändert. Aber die anhaltende Verknappung der
konventionellen fossilen Energiereserven hat
dazu geführt, dass trotz der Umweltrisiken
jetzt auch mehr und mehr die unkonventionellen
Energiereserven abgebaut werden. Die
vormaligen Daten
zur Nutzung dieser Reserven standen im
Widerspruch zu denen der EIA, ich habe sie
daher jetzt durch letztere ersetzt und auch
die neueste BP-Statistik
benutzt, insbesondere um die Biotreibstoffe zu
berücksichtigen. Das Resultat ist in der
Abbildung rechts zu sehen, sie zeigt auch die
EIA-Prognose
für 2035, die leider auch nicht mehr im
Internet zu finden ist. Ich habe diese
trotzdem in der Abbildung rechts dargestellt,
denn sie lässt
erkennen, welchem Entwicklungstrend die
unkonventionellen Energien folgen:
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Augenblickliche
und prognostizierte
Nutzung unkonventioneller Energien in flüssiger Form.
NGPL bezeichnet Gasflüssigkeiten.
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Im Augenblick wird die Entwicklung noch dominiert vom
Schieferöl,
aber bis 2035 wird dessen Anteil fast vollständig verschwunden
sein. Er wird ersetzt werden durch Teersände (siehe unten) und durch Biotreibstoffe,
während der Anteil der Gasflüssigkeiten ( NGPL)1)
i.W. von der Entwicklung der Gasverarbeitung abhängt.
Flüssige
Kohlenwasserstoffe aus Ölschiefer werden überwiegend in den USA gefördert. Allerdings lohnt
sich die Förderung
erst, wenn der Erdölpreis
>70 USB/bbl ist, und die Fördermenge pro Bohrung nimmt sehr
schnell ab. Das impliziert, dass ständig neue Bohrtürme errichtet werden müssen, um
die Fördermenge
konstant zu halten - in dicht besiedelten Gebieten
(wie in Europa) eine Unmöglichkeit.
Gasförmige Kohlenwasserstoffe
aus den Schiefervorkommen werden in Zukunft nach Meinung der EIA dagegen
die größte Rolle spielen. Sie stellen die einzige
Alternative zum konventionellen Erdgas dar. Eine
weitere Alternative wäre das Methanhydrat, mit dessen Abbau im Südchinesischen Meer nach Meldungen
in der Presse von China begonnen wurde.
Ähnliche Pläne
gibt es auch in Japan, es ist aber fraglich, ob mit
dem Abbau dort in absehbarer Zukunft begonnen wird.
Denn etwas ist auch klar: Methan (CH4) ist
als Treibhausgas
etwa 20mal wirksamer als Kohlendioxid (CO2).
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Gasschiefer
Formationen aus
Gasschiefer treten weltweit auf, wie aus der
Abbildung rechts zu ersehen ist. Auch in
Deutschland und Frankreich kommen sie vor.
Letzteres hat die Ausbeutung seiner Vorkommen
wegen der großen Umweltrisiken aber verboten.
Auch in Deutschland ist, wahrscheinlich aus
gleichen Gründen, mit einer Ausbeutung bisher
nicht begonnen worden.
Diese Gründe sind einmal
technische Schwierigkeiten, dann aber auch die bereits angesprochenen
Umweltrisiken der Gasextraktion, welche in
diesem EIA-Artikel
beschrieben sind. |
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Gebiete mit
Vorkommen von Gasschiefer auf der Erde3).
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Die Technik2) der
Gasextraktion wird als "Fracking Process" bezeichnet,
er erfordert den Einsatz von viel, mit Umwelt schädlichen
Chemikalien versetzten Wassers.
Nach alternativen Techniken wird geforscht,
ob sie das Umweltrisiko reduzieren, ist sehr fraglich. Auf jeden Fall gibt es in den USA
jetzt Pläne,
die Einleitung des toxischen Wassers in öffentliche Wasseraufbereitungsanlagen
zu verbieten. |
Auf
der anderen Seite des Atlantiks, in den USA,
spielt trotzdem das Erdgas aus Schiefergestein
schon heute eine bedeutende Rolle in der
Energieversorgung: Die heimischen
Gasreserven werden auf 104 · 1012
kWh (104 PWh) geschätzt,
2019 trugen sie mit mehr als 80% zum gesamten
Erdgasbedarf der USA bei und dieser Anteil
soll auf über 90%
bis 2050 steigen4).
Ob sich diese Pläne realisieren, hängt u.a. vom
Gaspreis - und damit von der Errichtung neuer
Gasförderanlagen - ab. Zur Zeit beobachtet man ein
Überangebot
von Erdgas auf dem USamerikanischen Markt mit der
Konsequenz, dass die Gaspreise stetig abnehmen.
Dies ist vielleicht auch der Grund dafür, dass die
prognostizierten Fördermengen ab 2020 nur noch
unwesentlich steigen werden.
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Erdgasförderung
(Daten und Prognose) in den USA.
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Bis 2017 nahm die US-Regierung an, dass
auch in Zukunft genügend Schiefergas gefördert wird,
um das angestrebten Klimaziel ( CPP)
zu erreichen. Seit 2017 wird die weitere Gültigkeit des CPP allerdings infrage
gestellt. Um ein Nachlassen der Nachfrage
auszugleichen, plant die neue US-Regierung überschüssige Schiefergas zu
exportieren. Die Abnehmer
(z.B. die EU) und die Technologie ( Gasverflüssigung)
existieren.
Eine andere Möglichkeit ist die Umwandlung in flüssige
Treibstoffe (gas to liquid: GtL-Technologie).
Ohne GtL ist für
eine umfassende Verwendung von Erdgas in den USA aber
Voraussetzung, dass ein großer Teil der US-amerikanischen Mobilität dieses Erdgas auch wirklich nutzt. Davon kann aber
z.Z. keine Rede sein, der dominierende Treibstoff
aller Verkehrsfahrzeuge sind dort weiterhin Erdölprodukte. Und für diese Treibstoffe sind Teersände von größerer Bedeutung.
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Teersände
Bis 2014 hat das Öl aus
kanadischen Teersände einen großen Teil des
US-amerikanischen Ölbedarfs gedeckt, ihr Anteil war
größer als die Importe aus den Öl fördernden Ländern
auf der arabischen Halbinsel. Bei weiter steigendem
Bedarf nach und steigenden Preisen für das Erdöl wird
erwartet, dass sich der Abbau der Teersände vom Jahr
2008 bis zum Jahr 2020 verdoppelt und bis zum Jahr
2035 sogar verdreifacht haben wird. Ob sich dieses
Erwartung bewahrheitet, hängt allerdings auch ab vom Abbau des USamerikanischen Schieferöls,
dessen Menge seit 2014 die der Teersände übersteigt.
Zur Zeit liegen in Kanada die größten
Abbaugebiete
von Teersänden
und Hauptabnehmer sind die USA: 2016 hatte das Angebot
etwa 14% des USamerikanischen Rohölbedarf
erreicht.
Von der EIA
wurde
die Entwicklung dieser Beziehung bis 2035
untersucht, siehe Abbildung rechts. Der
kanadische Eigenbedarf sollte sich bis dahin
nur wenig verändern, ein großer
Teil des Angebots könnte
exportiert werden.
Ob aber die Überschussmenge an
produziertem Erdöl auch wirklich
in die USA geliefert wird, hängt von vielen
Faktoren ab:
Von der Entwicklung der
heimischen Vorkommen
an Schieferöl.
Von der Entwicklung der Erdölpreise.
Vom
Bau neuer Ölleitungen durch den
nordamerikanischen Kontinent.
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Prognostizierte
Nutzung der kanadischen Energiequellen.
Die Entwicklung des Angebots wurde 2016 vom "National
Energy Board" untersucht.
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Zur Zeit gibt es heftige Proteste
gegen insbesondere die "Keystone-Pipeline",
deren Bau daraufhin von der Obama-Regierung
gestoppt wurde5). Daraufhin hat Kanada gedroht,
dieses Erdöl
nach China zu liefern, denn die Ladestationen für Tankschiffe liegen relativ nahe zu den Fördergebieten. Aber
auch gegen den Bau dieser Ölleitung gibt es Proteste.
Es sollte daran erinnert werden, dass
derartige Vorhersagen immer von der Preisentwicklung
des Rohöls
auf dem Weltmarkt abhängen. Das gilt nicht nur für die kanadischen Teersände, sondern auch für
das USamerikanische Schieferöl.
Ein Anzeichen dafür, dass
ein Ölpreis von
unter 50 USD/bbl nicht
mehr attraktiv ist,
scheint zu sein, dass
große Ölfirmen
ihre
Investitionen
in kanadischen
Teersände
entweder
abschreiben
oder
verkaufen.
Für
die Energieversorgung Europas spielen Teersände
wahrscheinlich nicht eine ähnliche Rolle. Aber ihr
Abbau verursacht nicht nur Umweltschäden in den
Abbaugebieten Kanadas, sondern wird zur globalen
Klimaänderung beitragen und ist daher auch für Europa
von Bedeutung. In einem Sonderkapitel wird
darauf eingegangen.
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Sind
unkonventionelle Energieträger die Rettung?
Das ist natürlich die Frage, wenn
man an den zu erwartenden Niedergang des Abbaus
konventioneller Energieträger, insbesondere des Erdöls, denkt. Aber mehrere Fakten
sprechen gegen diese Lösung:
- Auch unkonventionelle Energien haben, wie die
konventionellen Energien, nur eine endliche
Reichweite. Was u.U. gelingen könnte,
ist ein Hinausschieben (nur um wenige Jahre)
des Zeitpunkts, zu dem eine akute
Energieverknappung eintritt.
- Im Jahr 2035
erwarten wir einen
globalen Primärenergiebedarf von ca. 190
· 1012 kWh a-1. Alle
unkonventionellen Energien, einschließlich der
Schiefergasvorkommen, könnten
nur etwa 5% dieses Bedarfs decken, wenn die oben
gezeigten EIA-Prognosen
wirklich
eintreten.
- Das scheint mir das
wichtigste Argument: Die Nutzung unkonventioneller
Energien schädigt
unsere Umwelt und damit die menschlichen
Lebensgrundlagen. Diese voraussehbaren Folgen
treten ähnlich
auch bei der
alkoholischen
Gärung
auf: Die Hefen, die Zucker in Ethanol wandeln,
sterben bei einem Alkoholgehalt von 5% bis 25% an
ihren selbst erzeugten Folgeprodukten, weil
Ethanol ein Zellgift ist. Dass das auch von
unkonventionellen Energien emittierte CO2
das eigentliche Problem ist, bezweifele ich -
andere (tatsächliche)
Gifte schädigen
unsere Umwelt weitaus mehr.
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1) Unter NGPL versteht
man alle, unter Normalbedingungen flüssige
Kohlenwasserstoffe, die bei der Verarbeitung von
Erdgas entstehen. Ausgenommen davon sind die
Gaskondensate ("lease condensates"), welche
zusammen mit dem Erdgas gefördert werden und dem Erdöl
zugerechnet werden.
2) Eine ganz ähnliche
Technik wird auch bei dem HDR-Verfahren in
der Geothermie
eingesetzt, das in Deutschland einige Erdbeben verursacht
hat und von der Bevölkerung deswegen
mehrheitlich abgelehnt wird.
3) Die meisten Schiefergesteine mit
Erdgasvorkommen enthalten auch Erdöl in der Form von Kerogenen.
Letztere werden z.Z. nur in den USA abgebaut.
4) Ich kann auch so gut rechnen um zu
erkennen, dass man bei einer Reserve von ca. 100 PWh
nicht über 30
Jahre hinweg jährlich ca 10
PWh/a fördern kann. Entweder ist die
Prognose der EIA total falsch, oder es
wird angenommen, dass sich die Reserve
aufgrund künftiger
Explorationen erhöht.
5)
Die Trump-Regierung will dieses (und ähnliche) Projekt offensichtlich wiederbeleben.
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