Das
Klimaschutzkonzept
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Bestimmend für die Ziele des Klimaschutzkonzepts (KSK) sind
die Aussagen des Koalitionsvertrags
der AMPEL-Koalition, welche vom zuständigen Minister Habeck
in einer Pressekonferenz am 13.1.2022
zusammengefasst wurden. Diese Ziele beziehen sich auf das
Jahr 2030, während die Zielvorgaben des alten
Energiekonzepts (EK), das in besagter Pressekonferenz keine
Rolle mehr spielte, bis 2050 galten. Ich gehe aber davon
aus, dass diese Ziele in der AMPEL-Koalition auch weiterhin
Bestand haben. Bezogen auf das Jahr 2020 (das letzte Jahr
mit verlässlichen Daten) werden und wurden folgende
Veränderungen in der deutschen Energieversorgung angestrebt
(siehe Tabelle unten):
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2020
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2030
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2030
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2050
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PEB (PWh/a)
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3.2
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2.8
|
2.8
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2.0
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elektrische
Energie (TWh/a)
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572
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715
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700
|
1000
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grüner Strom
(TWh/a)
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275
|
572
|
450
|
800
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davon
PVA&WKA (TWh/a)
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181
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478
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Die Zielvorgaben des KSK (rot) und des EK (blau),
verglichen mit den realen Daten (schwarz).
In allen
Fällen handelt es sich um Leistung und
nicht Energie (siehe Kap.
3.3)
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Es ist offensichtlich, dass der
größte Unterschied in den beiden Konzepten KSK (rot) und EK (blau) in der Bedeutung der
elektrischen Energie liegt, und welchen Anteil der
grüne Strom (elektrische Energie aus erneuerbaren
Quellen) daran hat. Im Jahr 2030 soll der relative
Anteil im KSK bereits 80% betragen, während er nach
dem EK diesen Wert erst im Jahr 2050 erreichen
sollte. Im Jahr 2020 hatte der relative Anteil, der
tatsächlich erreicht wurde, nur einen Wert von etwa 48%.
Absolut gesehen muss sich der Beitrag des grünen
Stroms innerhalb von nur 10 Jahren mehr als
verdoppeln (bezogen auf 2020), um die Ziele des KSK
zu erreichen.
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Es ist verständlich, dass ein derartiger Anstieg in der
Nutzung erneuerbarer Energien nicht ohne gravierende
Eingriffe in unsere Umwelt erreichbar ist. Denn die Quellen
(Sonne und Wind) zeichnen sich durch eine besonders geringe Energiedichte
aus. Entsprechende Anlagen zur Wandlung in grünen Strom
stellen daher hohe Anforderungen an die verfügbaren Flächen.
In dem KSK sind dafür etwa 2% der Landfläche Deutschlands
(7152 km2) vorgesehen ( Zitat Seite 57: "Für die Windenergie
an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen
werden"). Aber es ist eine offene Frage, ob dies ausreichend
ist, insbesondere wenn man auch die Entwicklung nach dem
Jahr 2030 berücksichtigt.
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In Zukunft werden die
wichtigsten Anlagen zur Wandlung erneuerbarer Energien in
grünen Strom die Fotovoltaikanlagen (PVA) und die
Windkraftanlagen sein, wobei letztere sowohl Onshore-Anlagen
(WKAL) wie auch Offshore-Anlagen (WKAS)
sind. Letzter stellen keine Anforderungen an die Landfläche,
PVA und WKAL aber sehr wohl. In diesem
Zusammenhang sollte angefügt werden, dass im Jahr 2020 alle
diese Anlagen nur ca. 66% des grünen Stroms erzeugten, der Rest stammte aus
Wasserkraftwerken (WKW) und Biomasseanlagen (BMA), denen
aber in Zukunft wohl keine große Bedeutung im KSK
zugesprochen wird, denn es finden sich dort keinerlei
Zielvorgaben für diese Energiequellen.
PVA
Im Jahr 2020 wurden 50.5 TWh/a grünen Stroms von
Fotovoltaikanlagen erzeugt.
Dies entspricht einer installierten Leistung von 58 GW,
falls man von einem Kapazitätsfaktor = 0.1
ausgeht. Im KSK soll diese Leistung bis 2030 auf 200 GW
gesteigert, also etwa vervierfacht werden. Bei einer Sonneninzidenz in
Deutschland von <I> = 114 W/m2 muss
dafür eine Fläche von A = 1750 km2 zur
Verfügung stehen, ohne dass die nötige Infrastruktur
(Wartungsmöglichkeit, Netzanschluss, etc) berücksichtigt
ist. Ich gehe davon aus, dass diese Zusatzfläche mindestens
20% der reinen Fotodiodenfläche ausmacht und daher die
gesamte Anlagefläche mindestens 2100 km2 beträgt1).
Auf dieser Fläche ließen sich dann 175 TWh/a an grünem Strom
erzeugen, also etwa 30% des im
KSK anvisierten Ziels für 2030. Der Rest von 303 TWh/a muss von Windkraftanlagen
erzeugt werden.
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WKAS
Die Offshore Windkraftanlagen benötigen keine
Landflächen, sie werden in der Nord- oder Ostsee
installiert. Deutschland verfügt als Staatsgebiete über 41043
km2 in der Nordsee und 15507 km2 in
der Ostsee. Aber nur ein Bruchteil dieser Flächen ist für
WKAS nutzbar, denn 2 Forderungen müssen in jedem
Fall erfüllt sein:
- Die Wassertiefe darf einen
Höchstwert (<50 m) nicht
übersteigen, um den Aufbau nicht übermäßig zu verteuern.
- Die Flächen müssen genügend Abstand von den
ausgewiesenen Schifffahrtsrouten haben.
Die Abstandsfrage spielt aber auch noch in anderer Hinsicht
eine entscheidende Rolle: Jede einzelne WKA muss einen
genügend großen Abstand von einer benachbarten WKA besitzen,
damit sie sich nicht gegenseitig behindern. Was damit
gemeint ist, erkennt man in der Abbildung unten, welche den
Windpark "Horns Rev" in der Nordsee zeigt: Jede WKA
erzeugt eine Wirbelschleppe von mehreren km Länge, welche
den Betrieb aller anderen WKA im Wirkungsbereich dieser
Wirbelschleppe behindert.

Luftansicht eines Windparks in
der Nordsee.
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Anzahl der WKAS:
n = 80
Windparkfläche:
à = 32 km2
Wassertiefe:
s = 20 - 25 m
Rotordurchmesser:
d = 120 m
Abstand:
l = 720 m
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Der oben gezeigte Windpark mit n WKA hat
quadratische Geometrie, der Abstand zwischen benachbarten
WKA beträgt l = 6 d,2) seine
Fläche ist daher à = (n0.5 - 1)2
l2. Bezeichnet N die Gesamtzahl
aller, in Windparks zu errichtender WKA, so muss die Anzahl
der Windparks ñ = N/n betragen und die
erforderliche Gesamtfläche ergibt sich zu
A = fQ(n) N
l2 mit fQ(n)
= (n0.5 - 1)2/n
. (1)
Die Größe N l2 bezeichne ich
als Sollfläche, die monoton steigende Funktion fQ(n)
hat die Grenzwerte fQ(1) = 0 und fQ( ) = 1 und ist rechts dargestellt.
Daraus folgt unmittelbar:
Der Gesamtflächenbedarf
aller WKA ist umso kleiner, je weniger WKA zu
einem Windpark zusammengefasst werden.
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
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Die Funktion fQ(n)
des relativen Flächenbedarfs eines Windparks
in Abhängigkeit von der Anzahl n der
WKA (Gilt sowohl für Offshore- wie für
Onshore-Anlagen).
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Gleichung (1) gilt prinzipiell nur für
n > 2, denn n = 1 beschreibt eine einzelne WKA,
welche für Fundament und Zufahrt eine Grundfläche von ca. 5000 m 2
benötigt. Der Fall n = 2 beschreibt eine lineare
Geometrie. Falls n > 2 WKA in linearer Geometrie
angeordnet sind, ergibt sich die Gesamtlänge L aller
WKA in dieser Geometrie zu
L = fL(n) N
l mit fL(n) = (n
- 1)/n . (2)
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Die Forderungen bezüglich Wassertiefe und
Abstand sind offensichtlich so restriktiv, dass das KSK für
das Jahr 2030 die Installation von WKAS mit einer
Gesamtleistung von nur 30 GW in der Nord- und Ostsee
vorsieht. Trotzdem bedeutet dies innerhalb von nur 10 Jahren
eine Steigerung um fast das Vierfache. Denn im Jahr 2020
betrug die installierte Gesamtleistung 7.8 GW und
in diesem Jahr betrug der Beitrag aller WKAS zum
grünen Strom 29 TWh/a. Dies entspricht einem relativ großen
Kapazitätsfaktor = 0.42, mit dessen Hilfe sich errechnen lässt,
dass bis 2030 der Beitrag aller WKAS zur
Versorgung mit grünen Strom auf 112 TWh/a steigen soll.
Damit verbleiben zur Erreichung der Zielvorgabe des KSK 191 TWh/a, welche von WKAL
erzeugt werden müssen.
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WKAL
Im Jahr 2020 besaß Deutschland eine Gesamtzahl von N =
27976 WKAL mit einer installierten Leistung von
54 GW. Der Anteil am grünen Strom betrug 96.3 TWh/a (das
entspricht einem Kapazitätsfaktor = 0.2, was dem langjährigen Trend
entspricht), diese WKAL hatten einen Flächenbedarf von 3100 km2
(0.9 % der deutschen Landfläche). Das entspricht einer
Energieflächendichte von 0.0311 TWh/(a km2). Der
größere Teil der Anlagen befindet sich in der norddeutschen
Tiefebene, also in den Bundesländern, in denen WKAL
einen im Mittel größeren Kapazitätsfaktor
erreichen. Eine Übersichtskarte mit den Standorten der
Windparks findet man hier. Dort finden sich auch
Informationen über jeden einzelnen Windpark, z.B. die Anzahl
der WKAL, die installierte Leistung und den
Hersteller der WKAL.
Extrapoliert man diese Daten auf die Zielvorgaben des
KSK für das Jahr 2030 (grüner Strom : 191 TWh/a, Landfläche: 7152 km2),
stößt man auf eine, von der AMPEL-Koalition nicht
diskutierte Frage: Beziehen sich diese Zielvorgaben auf die
Gesamtanlagen - d.h. die Altanlagen werden nicht
berücksichtigt, oder beziehen sie sich nur auf Neuanlagen
auf einer Restfläche von 4052 km2 - d.h. die
Altanlagen werden berücksichtigt? Im 1. Fall wäre eine
Energieflächendichte von 0.0267
TWh/(a km2) erforderlich, im 2. Fall von 0.0234 TWh/(a km2). In
beiden Fällen entspricht dies etwa
dem Wert, der 2020 erreicht wurde, und damit ist
die Realisierung der Zielvorgaben des KSK nicht von
vornherein unmöglich. Aus Kostengründen kann man davon
ausgehen, dass die Altanlagen nicht entsorgt werden3),
der 2. Fall also geplant ist. Das entspricht i.W. einer
Verdoppelung der 2020 von WKAL gewandelten
Leistung.
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Aus den Daten für das Jahr 2020 folgt, dass
in diesem Fall ca. 27500
neue WKAL bis Ende 2030 errichtet werden müssten,
also ca. 10 WKAL
pro Tag! Abgesehen von dieser unrealistisch hohen
Konstruktionsrate besteht ein weiteres Problem darin, für
diese Anlagen geeignete Flächen zu finden - Flächen, welche
auch die benötigte Infrastruktur aufnehmen können und die
nicht überall in der deutschen Bevölkerung Zustimmung finden..
Um Probleme der Infrastruktur zu vermeiden, müssen WKAL
zu Windparks zusammengefasst werden. Der Flächenbedarf wäre
(gemäß der Daten von 2020) A = 3048 km2. Nimmt man an,
dass jede WKAL einen mittleren Rotordurchmesser d
= 100 m besitzt, so wäre l = 500 m der minimale Abstand
zwischen den WKAL und die Sollfläche ergäbe sich
zu N l2 = 6878
km2. Das bedeutet fQ(n) =
0.4442 (siehe Gleichung (1) oben) und die mittlere Anzahl
der WKAL in einem Windpark wäre n = 9.
Dieses Ergebnis gilt für die bis 2030 zu errichtenden
Neuanlagen, zusammen mit den Altanlagen ergibt sich ein
Flächenbedarf von insgesamt ca. 6200
km2. Und daher lautet das Fazit aus diesen
Untersuchungen:
Die Realisierung des von der
AMPEL-Koalition geplanten Klimaschutzkonzepts für
2030 ist möglich,
wenn für die Windenergie an Land mindestens 2% der
Landesflächen ausgewiesen werden
und auf dieser Fläche jeden Tag etwa 10
neue Windkraftanlagen errichtet werden.
Ein großer Teil dieser Fläche wird auch weiterhin land- und
forstwirtschaftlich nutzbar sein. Das gilt allerdings nicht
für die Freiflächen der im KSK geforderten PVA, deren Anteil
ich auf 0.5% der Landesflächen schätze.
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Kosten
Wie nicht anders zu erwarten, enthält das KSK der
AMPEL-Koalition keinerlei Angaben über die zu erwartenden
Kosten, die dieses Konzept verursacht. Im Internet findet
man folgende Richtwerte4) für die
Investitionskosten (ohne Infrastruktur):
Kosten für
PVA: 1350 €/kW. Da neue Anlagen mit
einer installierten Gesamtleistung von 142 GW
errichtet
werden müssen, betragen die Investitionskosten 192
Mrd. €
Kosten für WKAS: 3400
€/kW. Da neue Anlagen mit einer installierten
Gesamtleistung von 22.2 GW errichtet
werden müssen, betragen die Investitionskosten 76 Mrd. €
Kosten für WKAL: 1567
€/kW. Da neue Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung
von 53 GW
errichtet
werden müssen, betragen die Investitionskosten 83 Mrd. €
Das bedeutet, dass in der Zeit von 2022 bis 2030 jedes Jahr
mindestens 44 Mrd. € für die
Realisierung des KSK investiert werden müssen. Das ist
ungefähr die Summe (60 Mrd. €), welche im Nachtragshaushalt 2021 für Klimaschutz
und Digitalisierung vorgesehen sind, und die i.W. mithilfe
der 2020 für Coronahilfen bewilligten Kreditaufnahme, also
mit Schulden, finanziert wird. Daraus ist zu schließen, dass
auch im KSK die Abnehmer von elektrischer Leistung wiederum
diejenigen sind (wie im EEG),
welche die Investitionskosten werden übernehmen müssen.
Werden diese über den Kapitalmarkt als Schulden finanziert,
so beträgt im Jahr 2030 die minimale Belastung der Abnehmer über
den Strompreis 0.05 €/kWh, wobei eine Lebensdauer der
Neuanlagen von 20 Jahren und eine Verzinsung der Schulden
von 5% angenommen werden. Hinzukommen die Kosten für die
Altanlagen, die sich im Jahr 2020 auf ca. 0.32 €/kWh beliefen, von denen
allerdings nur ca. 20% die tatsächlichen Stromgestehungskosten sind. Diese
würden sich durch das KSK fast verdoppeln.
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1) Das
Potential von Dachanlagen habe ich hier untersucht: Freianlagen hätten
immer noch einen Flächenbedarf von ca. 1900 km2.
2) Ich gehe in meinem Buch von einer
Abstand-Durchmesser-Relation l = 5 d aus.
3) Die Entsorgung von Windkraftanlagen ist nicht
nur teuer, sondern auch mit vielen Problemen behaftet.
4) Windkraftanlagen haben einen extrem
hohen Materialbedarf, wenn man diesen auf
die erzeugte Leistung bezieht. Wird das Material knapp, sind
diese Richtwerte zu gering!
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