Am 6. Dez. 2021 wurde eine neue deutsche
Bundesregierung gewählt unter der Führung von Bundeskanzler
Olaf Scholz, bestehend aus den 3 Parteien SPD, Grüne und FDP
(AMPEL-Koalition). Das Motto des Koalitionsvertrags lautet:
"Mehr Fortschritt wagen: Bündnis
für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit*
Und in der Tat, in diesem Vertrag findet sich der Begriff
"Nachhaltigkeit" mehr als 100mal, was allein schon darauf
hinweist, dass dieser Begriff so schwammig definiert ist,
dass er sich bei allen möglichen Themen verwenden lässt, um
das angestrebte Ziel einer Veränderung (Transformation) zu
kennzeichnen. Denn was ist eigentlich "Nachhaltigkeit" und
wie lässt sich ihr Wert so bestimmen, dass ein Fortschritt
auch wirklich erkennbar wird?
Mit diesem Problem habe ich mich in den Kap. 5.1/5.2
ausführlich beschäftigt und den Begriff "Nachhaltigkeit" in
Bezug gesetzt zur physikalischen Größe "Entropie" S
= Q/T. Zwar ist die Entropie keine
Erhaltungsgröße (sie kann nur größer werden), aber ihr
maximaler Wert auf der Erde ist beschränkt und wird bestimmt
durch die Größe der eingestrahlten Sonnenenergie (solare
Einstrahlung). Diese wird wiederum von der Erde in den
Weltraum abgestrahlt (terrestrische Abstrahlung) und damit
wird die erzeugte Entropie von der Erde entfernt. Daher ist
es plausibel, dass eine Zunahme von Nachhaltigkeit eine
Abnahme der durch menschliches Handeln erzeugten Entropie
erfordert.
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Menschliches Handeln basiert stets auf einer
Prozesskette von Energiewandlungen, beginnend bei der
Primärenergie PE und endend bei der Nutzenergie NE,
der Energie, welche der Mensch wirklich nutzt. Menschliches
Handeln (aber auch die menschliche
Existenz) erzeugt also einen Energiebedarf, die
Wandlungskette lässt sich symbolisch so darstellen:
PEB --> NEB mit
PEB > NEB.
Allerdings ist die Wandlung in Nutzenergie nicht das letzte
Glied in der Kette, denn letztendlich wird auch diese, wie
alle anderen Energiedefizite in der Kette, vollständig
in thermische Energie Q gewandelt (denn die Energie
ist eine physikalische Erhaltungsgröße), um schließlich in
Form von Entropie mit der terrestrischen Abstrahlung
entfernt zu werden. Bestimmend ist daher, wie viel
Primärenergie bereit gestellt werden muss, um unseren Bedarf
an Nutzenergie zu befriedigen. Dies hängt ab von:
- den Eigenschaften der Wandlungskette, charakterisiert
durch den
Wirkungsgrad jeder
einzelnen Wandlung,
- dem Energiebedarf für die Infrastruktur der
Wandlungsanlagen (Herstellung, Betrieb, Vernetzung,
etc), charakterisiert durch den entsprechenden
Kapazitätsfaktoren
und
die Lebensdauern
.
Maximierung der Nachhaltigkeit bedeutet
daher Optimierung von  ,  und  . Für erneuerbare Energien in
Deutschland, insbesondere für die Windenergie
und die Fotovoltaik,
sind diese Kenngrößen aufgrund der topografischen und
meteorologischen Gegebenheiten sicherlich sub-optimal
und können per Bundestagsbeschluss auch nicht optimiert
werden. Aber der Umstieg auf erneuerbare Energien ist
genau das Ziel der Transformation, welches die neue
Regierung insbesondere für die deutsche Wirtschaft im
Auge hat. Zitat aus dem Unterkapital "Industrie" im
Koalitionsvertrag:
Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähige
Strompreise für Industrieunternehmen
am Standort Deutschland unter konsequenter Nutzung der eigenen
Potenziale Erneuerbarer
Energien bekommt, die sie auf dem Weg in die Klimaneutralität braucht.
Nachhaltigkeit wird also gleich gesetzt mit
Klimaneutralität, obwohl sich erstere (nach meiner
Definition) und letztere gegenseitig im Wege stehen. Das
bedeutet weiterhin, dass die Ergebnisse des Paris-Protokolls
bindend für die deutsche Politik werden. Dass dies nicht so
einfach ist, erkennt man an dem Hinweis auf
"wettbewerbsfähige Strompreise".1) Denn es ist
eine Tatsache, dass die deutschen
Strompreise seit 2000 aufgrund der wachsenden
Bedeutung erneuerbarer Energien rasant gestiegen sind und es
ist auch kein Ende in Sicht, es sei denn, die neue
Bundesregierung subventioniert die Strompreise aus
Steuermitteln.
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Auf der anderen Seite sind auch
die Preise für fossile Energieträger im Jahr 2021 stark
gestiegen und diese tragen z.Z. (2021) noch mit ca. 60%
zur Versorgung
mit elektrische Energie in Deutschland bei. Dies wird als
Auswirkung der Inflation gedeutet, welche aufgrund der
Corona-Krise (mit ihren Auswirkungen auf den globalen
Handel) zugenommen habe. Keine Bedeutung für die
Preisentwicklung der PE (Kohle, Erdöl, Erdgas)
sollten dagegen die seit dem 1.1.2021 in Deutschland
gesetzlich festgelegten CO2-Abgaben haben, diese
verteuern erst die in der Wandlungskette später auftretende
NE, also z.B. das Heizöl oder die Kraftstoffe für den
Verkehr. Für die deutsche Wirtschaft sind die Gründe für
die, mit den Preissteigerungen verbundene Energieverknappung
eigentlich unwichtig, auch sie unterliegt (wie alle anderen
Prozesse) der naturgegebenen Sequenz PEB --> NEB
und ist auf ein preiswertes Energieangebot angewiesen.
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Die Entwicklung der Inflation hat dabei schon
immer eine Rolle gespielt. In der Abbildung unten links sind
die nominellen Preise fossiler Energien und die deutschen Inflationsraten seit dem
Jahr 2000 dargestellt. Man erkennt deutlich die Korrelation
zwischen der Inflationsrate und dem Erdöl-, und Erdgas- die Analyse mithilfe der Kreuzkorrelation ergibt,
dass die Veränderung der Inflationsrate etwa 1 a vor der
entsprechenden Veränderung des Erdölpreises stattfand -
daher ist erstere die Ursache für letztere! Verwunderlich
ist aber, dass der Einfluss auf die Kohlepreise wesentlich kleiner ist,
Dieser ist bis zum Jahr 2020 auch immer kleiner gewesen als
der Erdöl- bzw. Erdgaspreis.

Die nominellen Preise für fossile Energieträger
in der EU und die deutschen Inflationsraten in den
Jahren 2000-2021.
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
Die nominellen Preise für fossile Energieträger
in der EU und die deutschen Inflationsraten in den
Monaten von November 2021 bis Oktober 2022.
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Das hat sich mit Beginn des Jahrs 2021 komplett geändert
(siehe Abbildung oben rechts): Die Preise für die fossilen
Energieträger steigen stetig, am Ende dieses Jahrs ist der
Erdgaspreis sogar höher als die Preise für Erdöl und Kohle.
Das war zu erwarten, da in Zukunft allein Erdgas die
Energieversorgung Deutschlands übernehmen soll, wenn die
erneuerbaren Energien wegen ihrer Fluktuationen
ausfallen. Ebenfalls gestiegen sind die Inflationsraten und ich vermute, sie
folgen damit dem Preisantrieb der PE - sind also
nicht mehr die Ursache für diesen sondern eine Folge. Und es
ist sicherlich auch falsch, den Beginn des Krieges zwischen
Russland und der Ukraine allein für die Verteuerung
des Erdgases verantwortlich2) zu machen: Dieser
Krieg begann im Februar 2022, der Preisanstieg hatte aber
bereits Mitte 2021 begonnen, kurz vor dem COP26-Treffen
(siehe nächsten Absatz). Was aber ist dann die Ursache?
Bis Anfang 2021 hat die Weltbank Investitionen in fossile
Energien noch tatkräftig gefördert, laut einer Urgewaldanalyse betrugen die
ausgezahlten Kredite über 20 Mrd. USD/a.3) Die
gesamten Investitionen
in erneuerbare Energien sind allerdings (nach meiner
Analyse) mehr als 10mal höher. Trotzdem werden die
Aktivitäten der Weltbank von den Befürwortern der Transformation als
kontraproduktiv für das Zustandekommen einer globalen
Energiewende angesehen. Sie haben auf der IPCC-Tagung in
Glasgow (COP 26) die Gründung der GFANZ (Glasgow Financial
Allliance Net Zero) erreicht, eigentlich das einzige
konkrete Ergebnis dieser Tagung. Die Mitglieder dieser
Allianz verpflichten sich, nur noch Investitionen in
erneuerbare Energien zuzulassen, also der Entwicklung der
fossilen Energien "den Geldhahn zu zudrehen". Zu den
Mitgliedern gehören an der Börse notierte Banken und
Finanzunternehmen mit bekannten Namen4).
Natürlich sind diese Gesellschaften keine
Wohlfahrtsorganisationen, sondern ihre Investitionen in
eigentlich sub-optimale Technologien sollen auch Gewinne für
ihre Aktionäre erzeugen. Und diese Gewinnerwartung führt zu
höheren Energiepreisen und damit zur steigenden Inflation.
Letztendlich sind alle die, welche den Folgen der Sequenz PEB
--> NEB nicht entgehen können, diejenigen, welche
diese Gewinne erwirtschaften und damit an Wohlstand
verlieren.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW Berlin) aber hält diese Entwicklung für durchaus
wünschenswert und bezeichnet die Geldentwertung als
"grüne Inflation", womit wohl ausgedrückt werden soll, dass
sie ein essentieller Bestandteil der "großen Transformation"
sein sollte. Falls das auch ein Ziel der AMPEL-Koalition
ist, warum wird es dann nicht im Koalitionsvertrag als
solches klar benannt?
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1) Dies bezieht sich
auf den Preis für elektrische Energie, welche nur eine der
möglichen Formen der Energie ist und z.Z. (2020) ca. 20% der
PE ausmacht. Wie soll der restliche PEB
klimaneutral werden?
2) Russland wurde von den Nato-Staaten darauf hin
mit Sanktionen belegt und antwortete mit der Exportsperre
von Erdgas in diese Staaten.
3) Über die gesamten Subventionen in fossile
Energien gibt es sehr unterschiedliche Aussagen, der IWF beziffert sie z.B. auf ca. 4.5
Bio. USD/a, wobei es sich in der Mehrzahl um
Steuerprivilegien handelt, wie z.B. die Pendlerpauschale in
Deutschland. Damit hat die Weltbank aber nichts zu tun!
4) Zu den Mitgliedern gehören z.B.
in den USA: Bank of America, Citi Group, Morgan Stanley,
Goldman Sachs, Rockefeller Capital, etc.
in der EU: Deutsche Bank, ING, Santander, Allianz, AXA,
Münchner Rück, etc.
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