Ist der deutsche Weg gangbar?1)

Die Einzelheiten des "deutschen Wegs" sind im Energiekonzept niedergelegt, auf das ich in einem Hauptkapitel eingegangen bin. In diesem Sonderkapitel beschäftige ich mich allein mit der Frage, ob dieses Energiekonzept mithilfe der verfügbaren Ressourcen (Rohstoffe, Fläche, Energie, etc) realisierbar erscheint und ob es sich auf die Welt übertragen lässt.

Der primär entscheidende Parameter ist natürlich die Bevölkerungszahl, die in Deutschland bis zum Jahr 2050 etwa konstant bei 80 Mio. verharrt, in der Welt aber auf 10 Mrd. ansteigen wird. Auf der Welt leben dann 125mal mehr Menschen als in Deutschland und dieser Faktor allein besagt schon (ohne eine weitere detaillierte Rechnung, die später erfolgt), dass das Konzept nicht eins zu eins übertragbar ist: Ein Großteil der Menschheit würde in seiner momentanen Lage verharren müssen, damit Deutschland sein Energiekonzept verwirklichen kann. Dies einzugestehen, ist politisch nicht erwünscht, aber es ist eine Tatsache!

Laut Energiekonzept wird Deutschland im Jahr 2050 einen Primärenergiebedarf von PEB = 2000 TWh/a haben, von denen 1000 TWh/a aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden sollen. Gehen wir davon aus, dass Windkraftanlagen (WKA) und Fotovoltaikanlagen (PVA) die dominierenden Quellen waren, die im Jahr 2020 mit einem Anteil von 23.7%, bzw. 9.2% an der Versorgung mit elektrischer Energie beteiligt waren. Das bedeutet (unter Berücksichtigung der i.W. konstanten Kapazitätsfaktoren = 0.2 für WKAs und = 0.1 für PVAs), dass folgende Leistungen installiert waren bzw. installiert sein müssen:



2020
2050
installiert
WKA
545 TWh/a (62.2 GW)
3350 TWh/a (305 GW)
installiert
PVA
472 TWh/a (53.8 GW)
3300 TWh/a (300 GW)
Leistungsbedarf
251 TWh/a (28.5 GW)
1000 TWh/a (114 GW)
Die installierten elektrischen Leistungen von  WKAs und PVAs in den Jahren 2012 und 2050. Die letzte Zeile zeigt den tatsächlichen, bzw. geplanten Bedarf an elektrischer Leistung .

Mit anderen Worten, die installierte Leistung aller WKAs und PVAs muss sich jeweils von ca. 60 GW innerhalb von 30 Jahren verfünffachen auf ca. 300 GW. Diese Zeit ist allerdings nicht die maßgebende Zeit, maßgeblich ist die Lebensdauer der Anlagen, die mit 20 Jahren angenommen wird und die bestimmt, wie viel Ressourcen erforderlich sind, um das Energiekonzept zu verwirklichen2).

Und damit die Versorgung gesichert ist, muss wegen der Energiefluktuationen gleichzeitig eine Speicherkapazität von 51 TWh aufgebaut werden. Wie diese Anforderung mithilfe der Wasserstofftechnologie erfüllt werden kann, habe ich hier untersucht. In diesem Sonderkapitel soll die Alternative, die Energiespeicherung mittels Akkumulatoren (Li-Akku) untersucht werden.

Im Folgenden werden die Ressourcenanforderungen für die 3 tragenden Säulen des Energiekonzepts (WKA, PVA, Li-Akku) berechnet. Hierbei handelt es sich um Abschätzungen, welche auf den im Internet erhältlichen Informationen basieren. Es ist durchaus möglich, dass die Schätzwerte um einen Faktor 2 zu niedrig oder zu hoch ausfallen - hier geht es um Größenordnungen, welche die Hindernisse beleuchten, die sich dem "deutschen Weg" entgegenstellen.

Windkraftanlagen (WKA)

Es muss unterschieden werden zwischen Anlagen, die an Land (onshore) oder in der See (offshore) errichtet werden. Für Onshore-Anlagen gehe ich von einer mittleren Leistung Pon = 2.5 MW aus, die Rotoren haben einen Radius Ron = 65 m und die Nabenhöhe beträgt h = 120 m. Für Offshore-Anlagen beträgt die mittlere Leistung Poff = 4.3 MW und der Rotorenradius Roff = 85 m. Damit sich WKAs nicht gegenseitig stören, benötigen sie eine Standfläche, die mindestens 25 mal so groß sein muss wie die Rotorfläche (A = R2).

Der Turm einer WKA wird gewöhnlich aus Stahl gefertigt, er hat einen effektiven Durchmesser d = 4.5 m und eine Wandstärke dr = 5 cm.

Ein besonderes Problem stellt der Generator dar: Moderne WKAs verwenden im Innenläufer Permanentmagnete aus NdFeB, da der Generator dann kompakter und weniger störanfällig ist und auch einen höheren Wirkungsgrad besitzt3). Wie viel Neodym (Nd) benötigt wird, hängt von der Leistung P der WKA ab. Im Internet findet man einen Wert von 165 kg Nd pro MW.

Auch bezüglich der Investitionen unterscheiden sich Offshore- von Onshore-Anlagen: Erstere sind wesentlich teurer. Bei Offshore-Anlagen geht man von Investitionskosten in Höhe von 5000 €/kW aus, bei Onshore-Anlagen reduzieren sich die Investitionskosten auf 1600 €/kW.

Aus der folgenden Tabelle wird ersichtlich, welche Ressourcen für WKAs nach dem Energiekonzept zu Verfügung stehen müssen:

Anzahl
Invest.
(€/a)
Standfläche
(km2)
Stahl
(kt/a)
Neodym
(t/a)
onshore
120000
24 Mrd.
40000
2700
1700
offshore
70000
75 Mrd.
1600
(Jährliche) Ressourcenanforderungen für die Realisierung der vom Energiekonzept geforderten WKAs.

Deutschland produzierte 42100 kt Stahl im Jahr 2016 (Bedarf 6%) - daher sicherlich kein Engpass bei der Realisierung des Energiekonzepts. Anders sieht es bei Neodym aus: Die Weltjahresproduktion liegt bei ca. 21000 t/a (Bedarf ca. 8%) und mehr als 90% davon werden in China gefördert (siehe Abbildung rechts). Neodym ist ein Element aus der Gruppe der seltenen Erden, zu denen auch das Yttrium gehört. Dieses spielt eine besondere Rolle bei der Produktion von Supraleitern mit hoher Sprungtemperatur (siehe
New Fusion).

Weltjahresförderung von seltenen Erden.
Die eigentlichen Hindernisse ergeben sich aber aus dem Flächenbedarf (Niedersachsen z.B. hat eine Gesamtfläche von 48000 km2) und den hohen Investitionskosten. Und die Methode der Bundesregierung, diese Kosten einfach per EEG-Umlage auf die Privathaushalte abzuwälzen, wird bei einer Größenordnung von 75 Mrd. €/a wohl nicht mehr funktionieren.

Fotovoltaikanlagen (PVA)

Das Grundmaterial der Fotodioden, aus denen die PVA-Elementarzelle mit einem Basisvolumen von BxLxH = 12.5x12.5x0.05 cm3 entsteht, ist Silizium (Si), das in einem energetisch aufwändigen Prozess aus Quarz (SiO2) gewonnen wird. Quarz ist eines der, in der Erdkruste am häufigsten vorkommenden Mineralien -  sicherlich kein Engpass bei der Realisierung des Energiekonzepts.

Silizium ist ein Halbleiter, der durch eine Dotierung (Verunreinigung) von ca. 10-6 mit P, As, Sb n-leitend, oder mit B, Al, Ga p-leitend wird. Der Fotoeffekt, auf dem die Funktion der PVA basiert, muss in der Sperrschicht zwischen n- und p-leitendem Silizium stattfinden. Der Wirkungsgrad dieses Wandlungsprozesses von Solar- in elektrische Energie beträgt = 0.15. Dieser Wert und der Wert I = 8000 kWh a-1 m-2 der maximalen Sonnenintensität auf der Erdoberfläche sind schließlich bestimmend, wie viele Elementarzellen installiert und wie viel Standfläche in Deutschland für PVAs mindestens reserviert werden müssen (siehe Tabelle unten).

Die Masse einer Elementerzelle aus polykristallinem Silizium beträgt m 0.02 kg. Zur Herstellung wird eine Energie von ca. 150 kWh pro kg benötigt, nicht berücksichtigt ist der Energiebedarf, der bei der Weiterverarbeitung entsteht (z.B. Dotierung, Kontaktierung, etc). Im Internet findet sich ein Hinweis, dass dies den Energiebedarf etwa verdoppelt. Daraus resultiert eine "energy payback time" von ca. 3 a für die hier untersuchten PVAs.

Die Investitionskosten für eine PVA liegen z.Z. bei ca. 1600 €/kW, dies schließt die Installationskosten mit ein. Bei der Installation werden gewöhnlich 64 Elementarzellen zu einem Solarmodul von 1m2 Oberfläche zusammengeschlossen.

Aus diesen Informationen ergeben sich die folgenden Ressourcenanforderungen für in Deutschland errichtete PVAs gemäß des Energiekonzepts:
Modul
-anzahl
Energiebedarf
(TWh/a)
Invest.
(€/a)
Standfläche
(km2)
Si
(kt/a)
Dotierung
(kg/a)
3 Mrd.
34
24 Mrd.
3000
50
Sb 230
Ga 130
(Jährliche) Ressourcenanforderungen für die Realisierung der vom Energiekonzept geforderten PVAs.

Wie bereits gesagt, sind die Rohstoffanforderungen für die erforderlichen PVAs so gering, dass sie kein Hindernis auf dem Weg zur Energiewende sind. Jedoch ist das Antimon (Sb) toxisch, was u.U. ein Hindernis für das Recykeln alter PVAs bedeuten kann. Die benötigte Standfläche ist etwas größer als die Gesamtfläche des Saarlands, sie übertrifft aber die in Deutschland verwendbaren Dachflächen um etwa einen Faktor 3. Das bedeutet, ca. 2/3 aller PVAs müssten Freianlagen sein - diese Flächen sind dann z.B. landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Die erforderlichen Investitionen sind vergleichbar jenen in onshore-Anlagen (siehe oben), sie werden z.Z. aus der EEG-Umlage der Privathaushalte finanziert.

Energiespeicher (Li-Akku)

Unter allen verfügbaren Speichern für chemische Energie nimmt der Li-Ionen-Akkumukator eine herausragende Stellung ein: Er besitzt eine hohe Energiedichte (W/V  400 kWh/m3) und eine hohe spezifische Energie (W/m 0.2 kWh/kg, vergleiche mit W/m 0.05 kWh/kg für den Pb-Akku). Er wird daher bevorzugt in einer Vielzahl von Gebieten eingesetzt, z.B. in elektronischen Geräten oder in Elektrofahrzeugen. Lässt er sich aber auch als Energiespeicher für die im Energiekonzept anvisierte Versorgung mit elektrischer Energie verwenden?

Das Basismaterial des am häufigsten verwendeten Li-Akkus ist die chemische Verbindung LiCoO2. Von den 3 vorkommenden Elementen sind nur Lithium (Li) und Kobalt (Co) von wesentlicher Bedeutung: Ihre Anteile im Li-Akku betragen für Li 100 g/kWh und für Co 390 g/kWh, beide Elemente kommen in Deutschland aber nicht vor. Die wichtigsten Förderländer waren im Jahr 2016 für
  • Li: Australien mit 14.3 kt/a und Chile mit 12 kt/a,
  • Co: DR Kongo mit 66 kt/a und China mit 7.7 kt/a.
Die Preise für einen Li-Akku sind laut Internet seit 1990 stark gesunken (siehe Abbildung rechts), und zwar jährlich um ca. -12%. Zur Zeit sollen sie nur noch etwa 100 €/kWh betragen.

Der Li-Akku (den E.Musk 2017 den Austaliern "geschenkt" hat) lag aber mehr bei 400 USD/kWh und dies scheint mir die realistischere Angabe. Deutschland würde übrigens 400 Tsd. dieser australischen Energiespeicher kaufen müssen, um die Anforderungen des Energiekonzepts zu erfüllen!

Aus diesen Informationen ergeben sich die folgenden Ressourcenanforderungen für den Energiespeicher, der eine Voraussetzung für die Realisierung des deutschen Energiekonzepts ist:

Die Entwicklung  der Preise für Li-Akkumulatoren (rot) und die entsprechende Lernkurve.
Kapazität
(TWh)
Invest.4)
(€/a)
Standfläche5)
(km2)
Li
(kt/a)
Co
(kt/a)
51
330 Mrd.
2400
170
660
(Jährliche) Ressourcenanforderungen für die vom Energiekonzept geforderten Li-Akkus.

Anhand dieser Tabelle wird das eigentliche Dilemma der Energieversorgung mittels erneuerbarer Energien deutlich: Der erforderliche Energiespeicher, wenn er denn auf der Basis von Li-Akkus realisiert werden soll, ist untragbar teuer und verlangt nach Rohstoffmengen, welche die Jahresproduktion selbst der größten Förderländer bei weitem übersteigen. Dies ist nicht eine neue Erkenntnis dieses Kapitels, der Rohstoffmarkt hat längst davon Kenntnis genommen und die Preise für Lithium und Kobalt sind seit 2016 dramatisch angestiegen6). Insofern stellen die in der Tabelle angegebenen Investitionskosten wahrscheinlich nur eine untere Grenze dar. Und auch die Standfläche ist nicht vernachlässigbar klein: Sie entspricht etwa der Gesamtfläche des Saarlands!

Fazit

Es macht wenig Sinn, hier weiter über den Nutzen bzw. Unnutzen von WKAs und PVAs bei der Realisierung des Energiekonzepts zu diskutieren - ohne ein durchführbares Konzept für die erforderliche Energiespeicherung ist der deutsche Weg nicht gangbar und Li-Akkus stellen kein durchführbares Konzept dar.  In Kap. 3.8 habe ich alternative Konzepte vorgestellt, keines von ihnen scheint in naher Zukunft den Status der kommerziellen Anwendung zu erreichen. Dies ist aber dringend geboten, denn auch der Aufbau der Energiespeicher wird sicherlich nicht weniger Zeit beanspruchen, als der Aufbau von WKAs und PVAs.

Einige sind vielleicht der Meinung, man könne durch einen weiteren Ausbau der WKA- und PVA-Leistung  von geplanten 600 GW auf z.B. 1200 GW die erforderlichen Speicherkapazitäten vermeiden oder wenigstens reduzieren. Dieser würde die Kosten für das Einspeisemanagement (und damit für die Stromversorgung) erheblich steigern, und er würde trotzdem die Speicherkapazität von 51 TWh auf nur 15 TWh reduzieren. Und außerdem: Welche Rechtfertigung gibt es dafür, elektrischen Strom für die Müllhalde zu produzieren? Denn die Vorstellung, dass unsere Nachbarn den überschüssigen Strom dann kaufen würden, wenn das Wetter einmal wieder so ist, ist vollkommen illusorisch: Sie selbst würden dann gerne Strom an uns verkaufen!


1) Eigentlich hätte eine ähnliche Untersuchung vor der Veröffentlichung des Energiekonzepts durch die Bundesregierung stattfinden müssen. Das ist nicht geschehen - warum wohl nicht? An der notwendigen Kompetenz, genügend finanziellen Mitteln oder Zeit hat es sicherlich nicht gelegen, wenn man diese vergleicht mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen.
2) In 30 Jahren steigen die Anforderungen an die Ressourcen damit um das 1.5fache, es sei denn, die Altanlagen ließen sich vollständig recykeln.
3) Manche WKAs verwenden fremd erregte Magnete im Innenläufer und benötigen einen Teil der gewandelten Leistung zur Erregung, was zwangsläufig zu einem geringeren Wirkungsgrad führt.
4) Die Investitionskosten sind berechnet für einen jährlichen Zinssatz von 5% bei einer Dauer von 30 Jahren.
5) Diese Fläche ist geschätzt mithilfe der Bilder vom Li-Akku in Australien.
6) Im September 2018 war der Kobaltpreis auf 62.28 €/kg gestiegen, ist seitdem aber wieder auf etwa die Hälfte gesunken.